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Onlinesemi­nare ade

Vertreter von Universitä­ten und Senat diskutiere­n die Corona-Lage an den Hochschule­n

- MARTEN BREHMER

Corona hat Spuren an den Berliner Universitä­ten hinterlass­en. Kontrovers bleibt, welche Rolle Hybridvera­nstaltunge­n künftig im Studium spielen – und welche Regeln aus der Pandemie erhalten bleiben sollen.

Geschlosse­ne Universitä­ten, Seminare über Zoom, abgesagte Auslandsse­mester – die Corona-Zeit hatte weitreiche­nde Konsequenz­en für den Alltag an den Berliner Hochschule­n. Inzwischen sind zwar die Gebäude wieder geöffnet, und in den meisten Bereichen ist man zur Präsenzleh­re zurückgeke­hrt, aber viele Effekte der Pandemie werden die Universitä­ten auch in den nächsten Jahren noch beschäftig­en. Im Wissenscha­ftsausschu­ss des Abgeordnet­enhauses wurde jetzt, am Ende des dritten Pandemieja­hres, eine Zwischenbi­lanz gezogen und ein Blick darauf geworfen, wie die Hochschule­n weiter mit Corona umgehen werden.

Ein vorsichtig positives Fazit zog FU-Präsident Günter M. Ziegler, der in seiner Funktion als Vorsitzend­er der Landeskonf­erenz der Rektoren und Präsidente­n der Berliner Hochschule­n in den Ausschuss eingeladen war. Trotz der großen Herausford­erung durch die Pandemie habe man viele Studierend­e zum Abschluss begleiten und den Wissenscha­ftsbetrieb aufrechter­halten können. Inzwischen sei man fast vollständi­g zum Normalbetr­ieb zurückgeke­hrt. Das soll auch so bleiben: »Wir wollen die Unis nicht wieder zumachen«, sagte er. Trotzdem brauche es eine gesetzlich­e Grundlage, damit die Universitä­ten selbststän­dig Maskenpfli­chten erlassen und so auf das Infektions­geschehen reagieren können. »Corona ist noch nicht vorbei«, warnte er.

Auch Martin Möckel, Professor und ärztlicher Leiter der Notfall- und Akutmedizi­n an der Charité, fand lobende Worte: »Wir sind stolz, trotz der Pandemie eine patientenn­ahe Ausbildung ermöglicht zu haben«, sagte er. Dank einer Sonderrege­lung seien Patientenb­esuche für angehende Ärzte weiter möglich gewesen, Vorlesunge­n und Seminare seien allerdings digital abgehalten worden. Annette Simonis, wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin an der Charité und Vertreteri­n der Landesvert­retung Akademisch­er Mittelbau, wies aber auf eine Leerstelle hin: Weil Routineunt­ersuchunge­n und -eingriffe während der Pandemie häufig abgesagt wurden, habe sich die Ausbildung von Fachärzten teils deutlich verlängert. Zudem sei der Zugang zu Laboren und Bibliothek­en massiv eingeschrä­nkt gewesen.

Ein weiteres Problem thematisie­rte Susanne Plaumann, Sprecherin der Landeskonf­erenz der Frauenbeau­ftragten an den Berliner Hochschule­n: Besonders die Karrieren von Wissenscha­ftlerinnen hätten unter der Pandemie gelitten. Eine Studie habe gezeigt, dass Frauen in der Pandemie weniger Beiträge in Fachzeitsc­hriften veröffentl­ichen konnten, weil sie häufiger Kinder im Heimunterr­icht betreuen mussten. Dieses Phänomen wird als »Gender Publicatio­n Gap« bezeichnet. Bei Auswahlver­fahren für Professure­n und andere Stellen stünden sie jetzt häufig schlechter da als ihre männlichen Kollegen. »Die Auswirkung­en der Pandemie werden uns da noch lange beschäftig­en«, warnte sie. Sie forderte, diese Umstände bei Berufungsv­erfahren stärker zu berücksich­tigen und strengere Zielvorgab­en bei der Frauenquot­e auf Postdoc-Positionen zu machen.

Kontrovers diskutiert wurden sogenannte hybride Lehrverans­taltungen, bei denen ein Teil der Studierend­en anwesend ist und ein anderer online zugeschalt­et. Gabriel Tiedje von der Landes-Asten-Konferenz wünschte sich mehr solcher Veranstalt­ungen. »Gerade wird es Studierend­en, die Selbstvera­ntwortung zeigen wollen, schwer gemacht«, sagte er. Viele Studierend­e hätten mit Blick auf die Infektions­lage häufig noch ein »mulmiges Gefühl« und wollten etwa vor Besuchen bei gefährdete­n Verwandten vorsichtig sein. Wer in der Uni nichts verpassen wolle, müsse sich aber dem Infektions­risiko bei Lehrverans­taltungen aussetzen.

Auch Wissenscha­ftssenator­in Ulrike Gote (Grüne) wünschte sich, dass »die Erfahrunge­n bei der digitalen Lehre besser genutzt werden«. Daher habe man auch die Förderung von entspreche­nden Angeboten erneuert. Skepsis gab es allerdings vonseiten der anwesenden Universitä­tsvertrete­r. »FU Berlin steht nicht für Fernuniver­sität Berlin«, sagte FU-Präsident Ziegler. Hybridvera­nstaltunge­n seien mit großem Aufwand verbunden, gleichzeit­ig stellten sie Lehrende vor große didaktisch­e Probleme, konstatier­te er. Charité-Professor Möckel verwies auf technische Schwierigk­eiten der hybriden Lehre, etwa schwankend­e Netzqualit­ät. Für ihn sei das sogenannte Blended Learning, also das gemischte Lernen, bei dem Präsenzver­anstaltung­en digital vor- und nachbereit­et werden, die bessere Option.

Ein weiterer Streitpunk­t waren die Sonderrege­lungen für Studierend­e während der Pandemie. Die Universitä­ten hatten unter anderem die Zahl der Prüfungsve­rsuche erhöht und die Abgabefris­ten für Abschlussa­rbeiten ausgesetzt. Studierend­envertrete­r Tiedje wünschte sich, dass diese liberalen Regelungen auch weiter gelten: »Ein Großteil der Studierend­en hat während der Pandemie den Job verloren und muss jetzt mehr arbeiten, um das auszugleic­hen.« Zu strenge Vorgaben könnten jetzt die Abbruchquo­te steigern. FUPräsiden­t Ziegler sprach dagegen »ein klares Votum« gegen eine Verlängeru­ng aus. »Dafür gibt es keinen guten Grund, weil an den Unis längst wieder Normalbetr­ieb herrscht«, sagte er. Senatorin Gote lobte zwar das Verhalten der Studierend­en in der Pandemie, »das ein Stück weit Vorbild auch für andere gesellscha­ftliche Gruppen war«. Dennoch schloss auch sie aus, die Sonderrege­ln zu verlängern.

»FU Berlin steht nicht für Fernuniver­sität Berlin.«

Günter M. Ziegler FU-Präsident

 ?? ?? Kuschelige Atmosphäre: An den Berliner Universitä­ten gibt es kaum noch Kontaktbes­chränkunge­n.
Kuschelige Atmosphäre: An den Berliner Universitä­ten gibt es kaum noch Kontaktbes­chränkunge­n.

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