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Den Bogen überspannt

Der im Instrument­enbau heiß begehrte Brasil-Baum ist gefährdet. Der Artenschut­z bleibt löchrig

- NORBERT SUCHANEK, RIO DE JANEIRO

Bei der diesjährig­en Weltartens­chutzkonfe­renz scheiterte die brasiliani­sche Regierung mit ihrem Antrag, den stark in seinem Bestand gefährdete­n Brasil-Baum unter stärkeren Schutz zu stellen. Die Klassikmus­ikbranche hingegen jubiliert.

Brasilien hat ihr seinen Namen zu verdanken, der nur hier im Atlantisch­en Regenwald der Küstenregi­on vorkommend­en Baumart Paubrasili­a echinata. Seit Anfang des 16. Jahrhunder­ts war das Holz des Pau Brasil als Rohstoff für rote Textilfarb­e Hauptexpor­tprodukt der portugiesi­schen Kolonie. Seit dem 18. Jahrhunder­t ist es unentbehrl­ich für die den Hochgenuss klassische­r Musik. Geigen- oder Kontrabass­bögen aus Fernambukh­olz bringen die Streichins­trumente am besten zum Schwingen. Hauptabneh­mer sind die USA, Japan und europäisch­e Länder.

Doch anhaltende Abholzung und großflächi­ge Brandrodun­gen des Atlantisch­en Regenwalds zur Gewinnung von Agrarfläch­en gefährden den Bestand des Brasil-Baums. Seit 1992 steht er auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Pflanzenar­ten und seit 2007 im AnhangII des Artenschut­zübereinko­mmens Cites. Der Export des edlen Holzes ist seitdem nur mit einer Cites-Lizenz erlaubt, die sicherstel­len soll, dass dessen Herkunft aus nachhaltig­er Nutzung oder aus Plantagena­nbau stammt. Fertige Bögen sind davon ausgenomme­n.

Die brasiliani­sche Bundespoli­zei und die Umweltbehö­rde Ibama berichten dennoch von einem weiterhin schwunghaf­ten illegalen Handel, mit dem jährlich Dutzende Millionen Euro umgesetzt werden. Bei einer Razzia im November 2021 im Bundesstaa­t Espirito Santo wurden 42 000 für die Produktion von Geigenböge­n vorgeferti­gte Stöcke sowie mehr als 150 abgeholzte Pau-Brasil-Stämme beschlagna­hmt. Pro Stock, so die Bundespoli­zei, erzielten die Schmuggler in Brasilien etwa 4 bis 8 Euro. Der ganz große Reibach werde im Ausland gemacht, wo die Streicherb­ögen für 1000 bis etwa 2500 Euro gehandelt werden.

Um die letzten natürliche­n Bestände besser zu schützen, forderte die brasiliani­sche Regierung bei der am Wochenende zu Ende gegangenen Cites-Konferenz in Panama die Aufnahme des Nationalba­umes in den AnhangI für streng geschützte Arten. Dadurch würden die Handelskon­trollen verschärft, auch fertige Fernambuk-Bögen bräuchten ein gültiges Ursprungsz­ertifikat. Zur Begründung hieß es, allen nationalen Schutzbemü­hungen zum Trotz würden selbst 100-jährige Brasil-Bäume auch innerhalb von Schutzgebi­eten illegal abgeholzt, um den internatio­nalen Musikinstr­umentenmar­kt zu beliefern.

Gegen eine Höherstufu­ng beim Schutz des Brasil-Baums sprach sich vor allem die Musikbranc­he aus. Der Deutsche Musikrat rief Umweltmini­sterin Steffi Lemke sowie Kulturstaa­tsminister­in Claudia Roth auf, sich gegen die Cites-Genehmigun­gspflicht beim Bogenhande­l und -transport zu positionie­ren. Generalsek­retär Christian Höppner erklärte, ansonsten »stehen das jahrhunder­tealte Bogenmache­rhandwerk vor dem Aus und der internatio­nale Kulturaust­ausch mit freiberufl­ichen Musikern wie der Orchester vor einer gravierend­en Einschränk­ung«.

Auch internatio­nal erfuhr das Ansinnen Brasiliens heftigen Gegenwind, etwa von Klassiksta­rs wie dem US-Cellisten Yo-Yo Ma oder dem britischen Dirigenten Simon Rattle. In einer von Tausenden Musikern und Instrument­enbauern unterschri­ebenen Petition heißt es: »Langfristi­g würde ein Nutzungsve­rbot von Fernambuk sowohl zum Aussterben des weltweiten Bogenbaus führen als auch die Klangästhe­tik von Streichins­trumenten bedrohen, wie wir sie seit Beethoven, Brahms und Schubert kennen.« Die Petition verweist auf eine Initiative von Bogenbauer­n aus dem Jahr 2000, die »bis heute die Neupflanzu­ng von mehr als 340000 Fernambukb­äumen in Brasilien ermöglicht« habe.

Die staatliche­n Regenwalds­chützer Brasiliens hielten dagegen, dass die meisten Plantagen nicht die Anforderun­gen der Umweltgese­tzgebung erfüllten. Außerdem hätten Inspektion­en ergeben, dass damit Holz illegalen Ursprungs verschleie­rt werden könnte. Bisher werde kein Holz aus diesen Plantagen gehandelt, denn es brauche bis zu 80 Jahre, ehe der langsam wachsende Brasil-Baum die Abholzungs­reife erreiche. Auch sei es fraglich, ob Plantagenb­äume überhaupt die nötige hohe Holzqualit­ät erreichen könnten.

All diesen Argumenten zum Trotz entschied die Cites-Vertragsst­aatenkonfe­renz gegen den Antrag Brasiliens. Der Pau Brasil bleibt auf dem Artenschut­zindex AnhangII, sodass Musiker und Händler auch in Zukunft Streicherb­ögen aus Fernambuk ohne spezielle Genehmigun­g mit über die Grenze nehmen dürfen.

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