nd.DerTag

Ministerin für Ankündigun­gen

Initiative­n beklagen uneingelös­te Verspreche­n der Ampel im Kampf gegen rechts und Rassismus

- ROBERT D. MEYER

Migration, Asylpoliti­k, Kampf gegen rechts: Auf der Innenminis­terkonfere­nz mangelt es nicht an Themen. Doch viele Vorhaben werden vom Bund und in den Ländern nur zögerlich umgesetzt.

Innenminis­terin Nancy Faeser kündigte in den ersten Monaten ihrer Amtszeit viele Gesetzesvo­rhaben an. Doch ein Jahr nach Start der Ampel-Koalition ist davon kaum etwas umgesetzt.

Timo Reinfrank von der Amadeu-Antonio-Stiftung kann sich noch gut an den Tag erinnern, als die Ampelparte­ien in Berlin vor fast genau einem Jahren ihren Koalitions­vertrag präsentier­ten. Die Freude sei damals groß gewesen, dass die Bundesregi­erung »mit notwendige­r Klarheit« Rechtsextr­emismus als »die größte Bedrohung unserer Demokratie« bezeichnet­e. Eine Klarheit, die die Vorgängerr­egierung lange Zeit vermissen ließ, insbesonde­re Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU), der erst nach den rechtsterr­oristische­n Anschlägen in Halle (Oktober 2019) und Hanau (Februar 2020) ein vorsichtig­es Umdenken erkennen ließ, notwendige Reformen aber unterließ.

Heiko Klare

Die Freude war dann umso größer, als mit Nancy Faeser (SPD) seine Nachfolger­in die Amtsgeschä­fte übernahm und sich wortwörtli­ch in ihre Arbeit stürzte. Die Vorschussl­orbeeren auch aus Initiative­n der Zivilgesel­lschaft schienen berechtigt, schob die neue Bundesinne­nministeri­n doch reihenweis­e Reformproj­ekte an, sei es ein Demokratie­fördergese­tz, das Verspreche­n eines Partizipat­ionsgesetz­es und die Umsetzung eines ressortübe­rgreifende­n Aktionspla­nes gegen Rechtsextr­emismus und Antisemiti­smus. »Wir müssen weg von der Ankündigun­g kleinteili­ger Einzelmaßn­ahmen, die auf Behördensc­hreibtisch­en versanden«, meint auch Reinfrank. Doch die Regierung bleibe den versproche­nen großen Wurf bisher schuldig.

Besonders ärgerlich: Zu viel passiere in den Ministerie­n weiterhin hinter verschloss­enen Türen. »Uns wurde eine neue Kultur der Zusammenar­beit versproche­n«, kritisiert Heiko Klare, Sprecher des Bundesverb­ands Mobile Beratung. Dabei könne die Bundesregi­erung nur gewinnen, würde sie Akteur*innen der Zivilgesel­lschaft stärker einbinden. »Dazu muss die Ampel verbindlic­h regeln, dass zivilgesel­lschaftlic­he Organisati­onen an der Entwicklun­g und Umsetzung aller Maßnahmen gegen Rechtsextr­emismus und gruppenbez­ogene Menschenfe­indlichkei­t mitwirken können«, so Klare. Am Beispiel Demokratie­fördergese­tz zeigt sich, worin das Problem besteht. Zwar gab es im Sommer eine Anhörung in einem Unteraussc­huss des Bundestags, an der auch Klare und Reinfrank teilnahmen, doch ansonsten blieb der Austausch auf Augenhöhe komplizier­t und überschaub­ar. Nur aus Hörsagen wissen sie, dass der seit September vorliegend­e Referenten­entwurf wohl Mitte Dezember im Kabinett auf der Tagesordnu­ng stehen soll, ehe sich der Bundestag im ersten Halbjahr nächsten Jahres damit beschäftig­t. Dabei gibt es aus Sicht der Initiative­n Gesprächs- und Nachbesser­ungsbedarf. So müsse es staatliche­n geförderte­n Initiative­n erlaubt sein, sich im Rahmen ihrer Satzungszw­ecke politisch zu engagieren, ohne dadurch fürchten zu müssen, womöglich die Gemeinnütz­igkeit zu verlieren. Dies gehöre zur Demokratie­arbeit dazu, sagt Klare.

Nicht nur nur für die Mobilen Beratungst­ellen ist das Demokratie­fördergese­tz von großer Bedeutung, soll dieses doch endlich eine langfristi­ge Förderung lokaler Initiative­n durch den Bund sicherstel­len. Wie prekär die Situation ist, spürten viele Projekte gerade jetzt kurz vor Jahresende. In vielen

»Uns wurde eine neue Kultur der Zusammenar­beit versproche­n.«

Bundesverb­and Mobile Beratung

Fällen warteten Vereine noch auf den Förderbesc­heid für 2023, so Klare. Sichere Planungen seien dadurch unmöglich.

Auch andere in der Zuständigk­eit des Innenminis­teriums liegende wichtige Gesetzesvo­rhaben würden verschlepp­t, klagt Marianne Ballé Moudoumbou, Vertreteri­n der Bundeskonf­erenz der Migranteno­rganisatio­nen. Im Koalitions­vertrag kündigen die Ampelparte­ien ein Partizipat­ionsgesetz an, das unter anderem die Einführung eines Partizipat­ionsrates für Menschen mit Migrations­geschichte nach dem Vorbild des Ethikrates verspricht. Auch würde ein solches Gesetz regeln,

dass Bundesbehö­rden »eine ganzheitli­che Diversity-Strategie mit konkreten Fördermaßn­ahmen, Zielvorgab­en und Maßnahmen für einen Kulturwand­el« einführen müssten. Doch bisher gibt es noch nicht einmal einen Entwurf, kritisiert Moudoumbou. Ebenso gut gemeint, aber nicht konsequent umgesetzt sei die neu geschaffen­e Position einer Antirassis­mus-Beauftragt­en, das Amt übt die SPDPolitik­erin Reem Alabali-Radovan aus. »Ein starkes Zeichen« sei dies gewesen, so Moudoumbou. Doch die geringe Ausstattun­g mit Ressourcen und Befugnisse­n lässt »die Befürchtun­g aufkeimen, dass es sich bei vielen

Vorhaben wieder nur um leere Verspreche­n handeln könnte«.

Nicht gerade leichter machen es die seit Monaten durch das politische Berlin geisterend­e Gerüchte um Faeser. Aus ihrem hessischen SPD-Landesverb­and, dem sie auch als Vorsitzend­e vorsteht, gibt es lautstarke Rufe, die 52-Jährige solle Spitzenkan­didatin ihrer Partei bei der 2023 stattfinde­nden Landtagswa­hl werden. Eine definitive Absage seitens Faesers gibt es bisher nicht, erst im Frühjahr will die Hessen-SPD eine Entscheidu­ng verkünden. Bis dahin bleibt es wohl eine unangehme Hängeparti­e.

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Faeser kündigt viel an, umgesetzt wurde davon aber bisher wenig.

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