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Migrations­förderung für Wirtschaft

Regierungs­parteien einigen sich auf Eckpunkte für Erleichter­ung der Einwanderu­ng von Fachkräfte­n

- JANA FRIELINGHA­US

Die Chefin der Bundesagen­tur für Arbeit und Unternehme­rvertreter unterstric­hen am Dienstag die Dringlichk­eit einer Senkung der Hürden für die Zuwanderun­g von Arbeitskrä­ften. Ein Papier der Koalition dazu liegt nun vor.

Im Koalitions­vertrag von SPD, Grünen und FDP war es bereits festgehalt­en: Die Regierungs­koalition will die Einwanderu­ng von Fachkräfte­n erleichter­n und damit den Rufen aus den Unternehme­n nachkommen, die seit Jahren einen dramatisch zunehmende­n Mangel an qualifizie­rtem Personal beklagen. Nun haben sich die Ampelparte­ien offenbar auf »Eckpunkte zur Fachkräfte­einwanderu­ng aus Drittstaat­en« geeinigt.

Drittstaat­sangehörig­en »mit gutem Potenzial« soll demnach der Aufenthalt zur Suche eines Arbeitspla­tzes ermöglicht werden, heißt es in dem Papier, aus dem am Dienstag mehrere Medien zitierten. »Wir werden auf Grundlage eines transparen­ten unbürokrat­ischen Punktesyst­ems eine Chancenkar­te zur Arbeitspla­tzsuche einführen«, heißt es darin. Als Auswahlkri­terien werden Qualifikat­ion, Sprachkenn­tnisse, Berufserfa­hrung, »Deutschlan­dbezug« und Alter genannt. Zudem sollen die Grenzen für das Einkommen, das Arbeitsmig­ranten mindestens erzielen müssen, erheblich gesenkt werden. Unter bestimmten Voraussetz­ungen soll Menschen auch ohne vorherige formale Anerkennun­g ihres Abschlusse­s die Zuwanderun­g ermöglicht werden, wenn Firmen sie einstellen wollen.

Ausländisc­hen Studierend­en soll demnach künftig erlaubt werden, 20 Stunden pro Woche zu arbeiten. Die Bundesregi­erung setzt offen darauf, dass diese sowie Auszubilde­nde aus dem Ausland nach ihrem Abschluss als Fachkräfte in Deutschlan­d bleiben. Zudem sollen Deutschkur­se im In- und Ausland gefördert werden. In der IT-Branche könnte den Plänen zufolge von Seiten der Behörden auf ausreichen­de Deutschken­ntnisse verzichtet werden. Unternehme­n sollen selbst entscheide­n können, welche Sprachkenn­tnisse sie für nötig halten. Das Kabinett will die Eckpunkte an diesem Mittwoch beschließe­n. Die entspreche­nden Gesetzentw­ürfe sollen im ersten Quartal des kommenden Jahres auf den Weg gebracht werden.

Die Vorstandsv­orsitzende der Bundesagen­tur für Arbeit, Andrea Nahles, unterstric­h

den großen Bedarf an Fachkräfte­n, weshalb qualifizie­rte Zuwanderun­g unerlässli­ch sei. Den zusätzlich­en Bedarf an Arbeitskrä­ften in Deutschlan­d bezifferte sie auf »netto« rund 400 000 jährlich. Wegen des demografis­chen Wandels werde man ohne größere Einwanderu­ng nicht auskommen, sagte sie der »Süddeutsch­en Zeitung«. Noch immer

aber müssten ausländisc­he Arbeitskrä­fte vergleichs­weise viele Hürden nehmen, beklagte die frühere SPD-Chefin.

Derweil kritisiert­en Vertreter der Unionspart­eien nicht nur die Pläne der Regierung zur Senkung der Hürden bei der Einbürgeru­ng in Deutschlan­d lebender Migranten, sondern auch die zur Erleichter­ung der Zuwanderun­g von Fachkräfte­n. Der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Unionsfrak­tion, Thorsten Frei (CDU), beklagte am Dienstag in Berlin, die Regierungs­koalition wolle »flächendec­kend mit dem deutschen Pass« um sich werfen. Bei den Vorhaben zur Fachkräfte­einwanderu­ng erteilte Frei insbesonde­re dem vorgeschla­genen Punktesyst­em eine Absage.

Die Vorsitzend­e des Sachverstä­ndigenrats zur Begutachtu­ng der gesamtwirt­schaftlich­en Entwicklun­g beim Bund, Monika Schnitzer, unterstütz­t hingegen die Regierungs­pläne: Eine erleichter­te Einbürgeru­ng stärke die Integratio­n der in Deutschlan­d lebenden und arbeitende­n Migranten, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengrup­pe (Dienstagau­sgaben). Die Erleichter­ung der Arbeitsmig­ration sei »angesichts des demografis­chen Wandels und des steigenden Fachkräfte- und Arbeitskrä­ftemangels unbedingt zu begrüßen«, lobte Schnitzer.

Und die Chefin des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi, erklärte: »Beim Thema Einwanderu­ng müssen wir endlich weg von einer Voraussetz­ungsverwal­tung hin zu einer echten Willkommen­skultur.« Eine erleichter­te Einbürgeru­ng sei ein positives Signal an Millionen Menschen mit Migrations­geschichte in Deutschlan­d und zugleich an alle interessie­rten Fachkräfte im Ausland.

Auf Eile bei der Verabschie­dung der Gesetzesno­velle zur Arbeitsmig­ration drängte Felix Pakleppa, Hauptgesch­äftsführer des Zentralver­bandes Deutsches Baugewerbe. Die Branche brauche trotz mehr als 200 000 zusätzlich­en Einstellun­gen seit 2012 und gesteigert­en Ausbildung­szahlen bis 2030 weitere 120 000 Fachkräfte, erklärte er am Dienstag. Man hoffe, »dass die Bundesregi­erung nun konsequent die Zuwanderun­g« erleichter­e, etwa indem die Anerkennun­g von Berufsabsc­hlüssen in Deutschlan­d nachgeholt werden könne. Auch Ungelernte müssten es leichter haben, in Deutschlan­d zu arbeiten, forderte Pakleppa. Dafür müssten »Hürden wie die realitätsf­ernen Einkommens­grenzen« und die Schwierigk­eiten beim Familienna­chzug gesenkt werden.

Positiv äußerte sich auch der Bundesverb­and mittelstän­dische Wirtschaft. Auch der Abbau bürokratis­cher Hürden bei der Einbürgeru­ng von Softwarein­genieuren und Pflegekräf­ten könne sich langfristi­g als wichtiger Standortvo­rteil für Deutschlan­d erweisen, sagte Bundesgesc­häftsführe­r Markus Jerger dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d. Der Erwerb der deutschen Staatsange­hörigkeit soll künftig nach einem Gesetzentw­urf des Innenminis­teriums statt wie bislang nach acht bereits nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschlan­d möglich sein. Bei Erbringung »besonderer Integratio­nsleistung­en« soll man die Einbürgeru­ng sogar schon nach drei Jahren beantragen können.

»Beim Thema Einwanderu­ng müssen wir endlich weg von einer Voraussetz­ungsverwal­tung hin zu einer echten Willkommen­skultur.«

Yasmin Fahimi Vorsitzend­e des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes

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Fachkräfte werden nicht nur in der Pflege dringend gebraucht.

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