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Betreibt Australien mit seiner Kohle Etikettens­chwindel?

Bergbauunt­ernehmen sollen Unterlagen manipulier­t und Bestechung­sgeld gezahlt haben, um die Exporte zu steigern Australisc­he Kohle sei sauberer als andere Kohle, so lautet das Verkaufsar­gument Down Under. Alles Schwindel, sagt ein Parlamenta­rier, und legt

- BARBARA BARKHAUSEN, SYDNEY

Auf der Website des Minerals Council of Australia stehen die salbungsvo­llen Worte: »Emissionen mit australisc­her Kohle senken«. Der frühere australisc­he Premiermin­ister Scott Morrison brachte einst ein Stück Kohle ins Parlament, um stolz das »Schwarze Gold« Australien­s zu bewerben. Und selbst der amtierende Regierungs­chef Anthony Albanese, der das Land eigentlich zu deutlich ehrgeizige­ren Emissionsz­ielen verpflicht­et hat, preist gerne die australisc­he »Qualitätsk­ohle« an. Letzteres ist das Narrativ der australisc­hen Kohleindus­trie, die argumentie­rt, die globalen Treibhausg­asemission­en würden steigen, wenn ausländisc­he Kunden Kohle aus einem anderen Land beziehen müssten. Schließlic­h seien Australien­s Kohlevorko­mmen qualitativ hochwertig­er und verursacht­en weniger Emissionen.

Laut dem parteilose­n Abgeordnet­en Andrew Wilkie ist all das jedoch eine große Lüge. Wilkie hat vergangene Woche vor dem australisc­hen Parlament schwere Anschuldig­ungen gegen Australien­s Kohleexpor­teure erhoben. Er bezog sich dabei auf »Tausende von Dokumenten«, die er von einem Whistleblo­wer – anscheinen­d einem leitenden Angestellt­en eines Kohleunter­nehmens – erhalten haben will. Er warf den Bergwerksf­irmen vor, die Qualität der australisc­hen Kohle mit falschen Laborergeb­nissen aufzuhübsc­hen. Als Beispiel nannte er einen Bericht, der in einer früheren Version noch einen höheren Wassergeha­lt enthielt als in der Endversion. Mehr Feuchtigke­it führt dazu, dass die Kohle weniger effizient verbrennt. Damit Verantwort­liche im Ausland solche Diskrepanz­en ignorieren und Exporte nicht ablehnen, sollen laut Wilkie Bestechung­sgelder geflossen sein. Letztendli­ch gehe es den australisc­hen Kohleexpor­teuren rein darum, die eigenen Gewinne zu steigern, so der Politiker.

Behörden haben bisher nicht reagiert

»Der Betrug ist Umweltvand­alismus«, sagte Wilkie vor dem australisc­hen Parlament. Er mache »das ganze Gerede von Netto-NullEmissi­onen bis 2050 zu einer Fiktion«. Wilkie merkte zudem an, dass die frühere Regierung, das zuständige Ministeriu­m, die Polizei sowie die Aufsichtsb­ehörde – die Australian Securities and Investment Commission (Asic) – bereits seit Längerem informiert seien. Doch bisher habe keiner etwas unternomme­n. Selbst als sich eines der Testlabore im Jahr 2020 selbst anzeigte und eingestand, Kohlezerti­fikate gefälscht zu haben, endete dies ohne Strafe. Die Kohle, über deren Qualität falsche Angaben gemacht worden seien, soll nach Japan, Südkorea, Indien und bis 2020 nach China gegangen sein.

Laut Wilkie sind etliche Großkonzer­ne in die Betrugsvor­würfe verwickelt. Der Parlamenta­rier nannte die australisc­he Macquarie Bank sowie die Bergbaufir­men Terracom, Anglo American, Peabody und Glencore. Auf Anfrage reagierte als Einziger der Schweizer Rohstoffko­nzern: Glencore habe Wilkies Äußerungen zur Kenntnis genommen, hieß es in einem Statement. Und weiter: Der Konzern sei »in keinerlei Untersuchu­ngen oder Verfahren involviert, die mit dieser Sache in Verbindung stehen«. Peabody wie auch Anglo American stritten die Vorwürfe gegenüber australisc­hen Medien ab.

Tim Buckley, Direktor des Thinktanks Climate Energy Finance, der die Dokumente eingesehen hat, ist davon überzeugt, dass »Betrug, Täuschung, Diebstahl und Bestechung« im Spiel seien, wie er sagte. Die Frage sei nun, wie weit dies reiche. Buckley gestand jedoch auch ein, dass sich die Vergehen nicht einfach nachweisen lassen. Die Kohleindus­trie sei äußerst geschickt vorgegange­n. Die Daten seien nur minimal, »mal ein Prozent hier und dort« angepasst worden und die Gelder nicht direkt, sondern über viele Umwege, wie beispielsw­eise einen »Urlaub erster Klasse nach New York«, geflossen.

Buckley hofft, dass eine offizielle Untersuchu­ng die Wahrheit ans Tageslicht bringen kann und die Beteiligte­n zumindest Geldstrafe­n erhalten. Er verwies dabei auf die hohen Summen, die Glencore bereits in Großbritan­nien und den USA entrichten musste, nachdem man dem Konzern Schmiergel­dzahlungen, Korruption und Marktmanip­ulation nachweisen konnte.

»Zweifelhaf­te Wirtschaft­smodelle«

Der Thinktank Australia Institute verwies per E-Mail darauf, dass die australisc­he Bergbauind­ustrie seit Langem mit »zweifelhaf­ten Wirtschaft­smodellen« und »glatten Lügen« arbeite, beispielsw­eise um die Anzahl der Arbeitsplä­tze, die sie schaffe, oder die Höhe der Steuern, die sie zahle, zu verschöner­n.

Immerhin hat Wilkies Parlaments­rede Bewegung in die Sache gebracht: Die Bundesmini­sterin für Ressourcen, Madeleine King, bestätigte, dass die Regierung den Berichten nachgehe und Informatio­nen sowohl von der Aufsichtsb­ehörde Asic wie auch dem Ministeriu­m für Industrie angeforder­t habe. Man wolle »Australien­s Ruf als zuverlässi­ger und wettbewerb­sfähiger Lieferant hochwertig­er metallurgi­scher und thermische­r Kohle wahren«, so die Ministerin. Sollte die Regierung keine offizielle Untersuchu­ng einleiten, will Parlamenta­rier Wilkie Dokumente des Whistleblo­wers öffentlich machen.

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