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In Aleppo schwindet die Hoffnung

Syrische Regierung kündigt an, Hilfsliefe­rungen auch in von Regierungs­gegnern gehaltene Gebiete zu ermögliche­n Am Sonntag erschütter­te ein Beben den Norden der syrischen Hafenstadt Latakia. Nach Angaben des UN-Büros für humanitäre Hilfe (OCHA) wurden bis

- KARIN LEUKEFELD, BEIRUT

Nach den schweren Erdbeben, die den Südosten der Türkei und Nordwestsy­rien verwüstet haben, geht das UN-Flüchtling­shilfswerk (UNHCR) von Millionen Obdachlose­n aus. Am Sonntag wurden mehr als 33000 Tote und mehr als 80 000 Verletzte gemeldet. Die Zahlen steigen stündlich. Wie viele Menschen unter Trümmern verschütte­t sind, ist unbekannt. Und die Erde kommt nicht zur Ruhe: Ein Erdbeben der Stärke 3,5 hat am Sonntag in Syrien den Norden von Latakia erschütter­t, teilte das Nationale Syrische Erdbebenze­ntrum mit. Menschen kamen nicht zu Schaden.

»Die Situation hier in Aleppo ist sehr, sehr schwer«, sagt Anas B. im Gespräch mit der Autorin. Seine Familie sei glückliche­rweise nicht betroffen, weil sie in Neu-Aleppo, im Westen der Stadt lebten, wo die Häuser stabil gebaut seien und in den Kriegsjahr­en 20122016 nicht so zerstört wurden wie Gebäude im Osten von Aleppo. »Wir haben zwei Nächte im Auto geschlafen, weil die Erde immer wieder bebte. Jetzt versuchen wir den Menschen zu helfen, so gut es geht.«

Tausende in Aleppo ohne Obdach

Mindestens 300000 Menschen hätten ihre Wohnungen verloren, berichtet Anas. Sie seien in Schulen und Moscheen und Kirchen untergebra­cht, doch die Plätze reichten nicht. Die Universitä­ten seien geschlosse­n, fügt er noch hinzu. Anas steckt mitten in den Abschlussp­rüfungen des Architektu­rstudiums und wirkt bedrückt. »Wir wissen nicht, wie es weitergehe­n soll. Es ist so schrecklic­h.«

Fozi S., der für den Syrischen Entwicklun­gsfonds arbeitet und die Autorin nur wenige Tage vor dem Erdbeben durch die Altstadt begleitet hat, arbeitet mit seinen Kollegen rund um die Uhr mit dem Syrischen Arabischen Roten Halbmond, um Menschen zu versorgen. Leider seien einige der neu restaurier­ten Straßen im Souk eingestürz­t, berichtet er und schickt Fotos. »Jetzt müssen wir den Menschen helfen«, fügt er hinzu.

Die Regierung in Damaskus stimmte am Freitag der Lieferung von Hilfsgüter­n in alle vom Erdbeben betroffene­n Gebiete zu. Ausdrückli­ch soll Hilfe auch in die Gebiete gelangen, die von bewaffnete­n Gruppen und Regierungs­gegnern in Idlib, Afrin und nördlich von Aleppo gehalten werden. Der Libanon hat den Luftraum und die Häfen für alle Hilfsliefe­rungen

nach Syrien freigegebe­n und setzt damit einseitig von der EU und den USA verhängte Sanktionen gegen Syrien außer Kraft.

Hilfe jenseits politische­r Interessen

In Syrien stehen die Flughäfen von Latakia, Aleppo und Damaskus zur Verfügung, über die bereits zahlreiche Hilfsliefe­rungen aus dem Iran und dem Irak, den Vereinigte­n Arabischen Emiraten, Jordanien, Libyen, Algerien, Russland, Indien und China eingetroff­en sind. Innerhalb Syriens werden die Hilfsliefe­rungen von den Vereinten Nationen und dem Internatio­nalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) geleitet und gemeinsam mit dem Syrischen Roten Halbmond abgewickel­t.

Während westliche Medien, Politiker und die vom Westen finanziert­en Hilfsorgan­isationen eine Zusammenar­beit mit der syrischen Regierung nach dem Erdbeben ablehnen, beharren Uno und das IKRK darauf, die dringende Hilfe jenseits aller politische­n Interessen den betroffene­n Menschen zukommen zu lassen. Alle Menschen müssten unterstütz­t werden – »wer und wo immer sie sind«, erklärte IKRK-Präsidenti­n Mirjana Spoljaric Egger bei einem Besuch in Aleppo. Es gebe jetzt die »entscheide­nde Gelegenhei­t, Hilfe zu entpolitis­ieren. Unsere gemeinsame Priorität muss die Rettung von Menschenle­ben sein.«

Internatio­nale Hilfsorgan­isationen wie die Organisati­onen der Vereinten Nationen und das Internatio­nale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) haben sich für das Verhalten bei Krisen, Kriegen und Naturkatas­trophen klare Regeln gegeben. Das IKRK nennt dafür sieben fundamenta­le Prinzipien: Menschlich­keit, Unvoreinge­nommenheit/Neutralitä­t; Unabhängig­keit, Freiwillig­keit, Einigkeit und Universali­tät.

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