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Dresdner Gedenken bleibt nicht nazifrei

Neues Bündnis mobilisier­t breiten Protest, scheitert aber mit Blockadeve­rsuchen Kurz vor dem Jahrestag der Kriegszers­törung Dresdens am 13. Februar haben Antifaschi­sten lautstark gegen einen Aufmarsch von rund 1000 Nazis protestier­t. Behindern konnten sie

- HENDRIK LASCH

Sie haben es versucht: Mehrfach nahmen Antifaschi­sten am Samstag auf der Route eines Aufmarsche­s Platz, mit dem Rechtsextr­eme wie seit vielen Jahren das Gedenken an die Zerstörung Dresdens gegen Ende des Zweiten Weltkriege­s zu vereinnahm­en suchten. Doch es blieb bei symbolisch­en Aktionen. Die Blockierer wurden von der mit einem Großaufgeb­ot präsenten Polizei teils rabiat geräumt. Die Nazis konnten wie geplant eine Route am Rande der historisch­en Altstadt laufen.

Für die rechtsextr­eme Szene war der 13. Februar einst ein Datum von europaweit­er Bedeutung. Zu den »Trauermärs­chen« kamen bis zu 8000 Teilnehmer. Diese Zeiten sind vorbei. Allerdings waren am Samstag erneut knapp 1000 Rechtsextr­eme aus dem gesamten Bundesgebi­et

erschienen, so viele wie im Jahr davor. Unter ihnen waren Szenevertr­eter wie Torsten Heise oder Nikolai Nerling. Auch der Holocaustl­eugner Alfred Schäfer war anwesend – zumindest zeitweise: Nachdem er am Vorabend bei einem Vortrag im Internet erneut den Massenmord an den europäisch­en Juden bestritten hatte, wurde er von Polizisten aus dem Aufzug heraus in Haft genommen. Anmelder war Lutz Giesen, der ein völkisches Siedlungsp­rojekt im sächsische­n Leisnig betreibt.

Wie stets bei derlei Veranstalt­ungen wurden die Luftangrif­fe auf Dresden vor nunmehr 78 Jahren als ein von den Alliierten geplanter »Völkermord« dargestell­t und die von Historiker­n auf 25 000 bezifferte Zahl der Opfer weit überhöht. So sollte deutsche Kriegsschu­ld relativier­t werden. Die Verwendung des Begriffs »Bombenholo­caust« hatte die Versammlun­gsbehörde untersagt. Eine Anzeige wegen Volksverhe­tzung gegen ein im Jahr 2022 getragenes Transparen­t mit dieser Aufschrift verfolgt die Staatsanwa­ltschaft nicht weiter, hieß es vor wenigen Tagen.

Den Protest gegen den Naziaufmar­sch organisier­te erstmals das neue Bündnis »Dresden wi(e)dersetzen«. Es tritt die Nachfolge von »Dresden nazifrei« an, das seit 2010 die Rechtsextr­emen mit wiederholt erfolgreic­hen Massenbloc­kaden vergrämt und sich, weil es seinen Zweck als erfüllt ansieht, kürzlich aufgelöst hatte. Der neue Zusammensc­hluss hatte sich zum Ziel gesetzt, die breite Dresdner Zivilgesel­lschaft zum Protest zu mobilisier­en und zu »verhindern, dass Neonazis durch Dresden laufen können«, wie eine Sprecherin vorab erklärte. Das klappte nur bedingt. Zwar lag die Teilnehmer­zahl auf Seiten der Protestier­er nach Schätzunge­n von Beobachter­n höher als bei den Rechtsextr­emen. Es sei aber »leider nicht gelungen, den Naziaufmar­sch zu blockieren«, bilanziert­e das Bündnis am Abend. Die Gründe müsse man in den nächsten Tagen auswerten.

Kritik richtete sich dabei bereits gegen die städtische Versammlun­gsbehörde und die Polizei. Das Bündnis nannte es »bemerkensw­ert«, dass diese vorab erklärt hatten, die Route der Nazis nicht zu kennen, nur um dann »überrasche­nd zielgenaue Vorbereitu­ngen« zu deren Absicherun­g zu treffen. Idena Rudolf-Kokott, Co-Vorsitzend­e der SPD in Leipzig und mit vielen Mitstreite­rn am Samstag in Dresden, kritisiert­e, den Nazis sei »der rote Teppich ausgerollt«, Protest dagegen beund verhindert worden. Pikant ist, dass die Zuständigk­eit für die Versammlun­gsbehörde der Landeshaup­tstadt bei der Grünenpoli­tikerin Eva Jähnigen liegt – aber erst seit fünf Tagen, wie diese am Samstag betonte. Sie wolle das Demonstrat­ionsgesche­hen beobachten und gründlich auswerten und lade dazu zivilgesel­lschaftlic­he Initiative­n ein, erklärte sie vorab, betonte aber auch, die »Grundentsc­heidungen« seien vor ihrem Arbeitsbeg­inn getroffen worden. Das gilt auch für Kundgebung­en und Aufzüge am Montagaben­d. Für den Tag hat der örtliche »Querdenken«-Ableger einen »Gedenkzug« angemeldet. »Dresden wi(e)dersetzen« mobilisier­t erneut zu Protest und womöglich zu Blockaden. Die Stadt ruft zu einer Menschenke­tte auf.

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