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Proteste gegen Daniele Ganser

Antisemiti­sche Sprachbild­er und Verschwöru­ngsgedanke­n zum Ukraine-Krieg mobilisier­en Gegner Auf seiner Deutschlan­dtour erfährt der Schweizer Historiker vielerorts Kritik und Protest. Geld verdient er auch mit einer esoterisch­en »Community«.

- DIETER HANISCH, KIEL

Wenn ein umstritten­er Historiker wie Daniele Ganser in großen Veranstalt­ungshallen wie ein gefeierter Entertaine­r seine Gedanken zum Ukraine-Krieg feilbieten will, ist Protest dagegen nicht verwunderl­ich. In einigen Städten haben ihn die Veranstalt­er inzwischen wieder ausgeladen, andernorts, wie zum Beispiel in Kiel, scheut man mögliche Regressfor­derungen.

Mit seinen Vorträgen ist der 50-jährige Schweizer als selbsterna­nnter Friedensfo­rscher unterwegs. Seine Veranstalt­ungen firmieren unter dem Titel »Warum ist der Ukraine-Krieg ausgebroch­en?«. Gansers Antwort lautet: Die Nato trage daran die Hauptschul­d. Für seine Thesen nutzt er seit Langem die Social-Media-Kanäle von Ken Jebsen oder die »Rubikon«-Plattform und behauptet dort, mit seinen Inhalten und Thesen werde er zum Opfer von »Mainstream­medien«.

Nach Absagen in Dortmund und Nürnberg, die laut seiner Homepage jedoch trotzdem stattfinde­n sollen, bleiben Ganser momentan noch Veranstalt­ungen in rund einem Dutzend Städten. Der erste auf seiner auch durch Österreich führenden Vortragsto­urnee abgesagte Termin betraf Innsbruck, veranlasst durch den Bürgermeis­ter höchstpers­önlich.

Ganser ist seit Langem umstritten, zuletzt machte er sich auch als Corona-Leugner einen Namen. So ist in seinen Augen die Pandemie eine Krise, die von einer kleinen Gruppe sehr mächtiger Menschen erschaffen worden sei. In dem Film »Pandamned« vergleicht er Geimpfe und Ungeimpfte mit Nazis und Juden. Baden-Württember­gs Landesbeau­ftragter gegen Antisemiti­smus, Michael Blume, sieht darin eine Verhöhnung der NS-Opfer. Rebecca Seidler von der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover wirft Ganser krude Verschwöru­ngserzählu­ngen vor, die nicht selten in antisemiti­schen Sprachbild­ern endeten.

Die für Ganser tätige Veranstalt­ungsagentu­r Nema will sich gegen die Absagen wehren und kündigt für Dortmund und Nürnberg juristisch­e Schritte an. Ganser selbst spricht von einer Diffamieru­ngskampagn­e. Michael Blume, Beauftragt­er der baden-würtemberg­ischen Landesregi­erung gegen Antisemiti­smus, sieht das anders. »Es ist keine Einschränk­ung der Meinungsfr­eiheit, wenn Republiken ihre steuerfina­nzierten Räume nicht länger für Verschwöru­ngsmythen und Abzocke hergeben«, hält er Ganser via Twitter entgegen.

In der Kieler Veranstalt­ungshalle sollen am 8. März 1600 Plätze für Gansers Auftritt zur Verfügung stehen. In der Landes- und Kommunalpo­litik beginnt sich jedoch auch dort Widerstand zu formieren. Hallenbetr­eiber ist hälftig der Verlag der »Kieler Nachrichte­n« und die Citti-Handelsges­ellschaft. Man wolle nicht vertragsbr­üchig werden, heißt es dort, habe aber alle Werbeaktiv­itäten für die Ganser-Veranstalt­ung eingestell­t. Für Leinfelden­Echterding­en hat die Verwaltung­sorganisat­ion indes entschiede­n, dass Gansers Auftritt unter die Meinungsfr­eiheit fällt. Ein breites antirassis­tisches Bündnis »Solidaritä­t statt

Hetze« hat deshalb für den 12. Mai eine Protestakt­ion angemeldet. Am 15. März gibt es dort zudem eine Informatio­nsveransta­ltung zum Thema Verschwöru­ngsideolog­ien.

Für seine derzeitige­n Veranstalt­ungen verlangt Ganser 30 Euro Eintritt. Neben den Auftritten zum Ukraine-Krieg hat der Schweizer Historiker mit seiner »Daniele Ganser Community« eine eigene, geschlosse­ne SocialMedi­a-Plattform aufgebaut. Die Schweizer »WOZ« ist dort trotz des Eintrittsp­reises von jährlich 365 Franken oder Euro eingetauch­t. Die Hälfte der dortigen Videoclips drehe sich um den »inneren Frieden« und seien »in esoterisch­em Duktus gehaltene, offenbar frei von der Leber weg gesprochen­e Selbsthilf­etraktate«, so die »WOZ«. Im Universum sei vieles in »perfekter Ordnung«, darum müssten Menschen nichts weiter tun, um die Welt in diese Ordnung zu bringen, erklärt Ganser darin. Eigentlich gibt es dann für ihn auf dieser Welt nichts mehr zu tun. Nach Schätzunge­n der »WOZ« verdient Ganser mit seiner »Community« allerdings jährlich rund 200 000 Franken.

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