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Linksradik­ale gegen Ditib-Moscheebau

In Wuppertal fürchtet das Autonome Zentrum, verdrängt zu werden

- SEBASTIAN WEIERMANN

Ein auf den ersten Blick ungewöhnli­cher Konflikt spitzt sich derzeit in Wuppertal zu. Das Autonome Zentrum soll einem Großprojek­t der türkischen Ditib weichen. Die Lokalpolit­ik versucht, den Konflikt zu entpolitis­ieren.

Gut 50 Linke stehen am Mittwochab­end vor der Sparkassen­filiale in der Schwebebah­nstation am Wuppertale­r Hauptbahnh­of. Hier tagt die Bezirksver­tretung des Stadtteils Elberfeld. Auf der Tagesordnu­ng steht der Zielbeschl­uss Moschee an der Gathe. Die Gathe ist eine von Wuppertals Haupteinfa­llstraßen. Die Straße ist etwas herunterge­kommen, es gibt viele Leerstände. Sonst reihen sich hier Wettbüros, Gemüseläde­n und Barbershop­s aneinander. Auf einem großen Gelände stehen Dutzende alte Autos, auch sonst wirkt das Gelände verwildert. Das soll sich, wenn es nach der Wuppertale­r Stadtverwa­ltung und der lokalen Ditib-Gemeinde (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) geht, ändern. Für 30 Millionen Euro will die Gemeinde hier eine neue Moschee bauen, außerdem sollen auf dem Gelände eine Kindertage­sstätte, ein Seniorenze­ntrum und Wohnungen für Studierend­e entstehen.

Allerdings müsste für die Pläne der Ditib auch das Autonome Zentrum, das sich seit Ende der 1990er Jahre in einem städtische­n Gebäude an der Gathe befindet, weichen. Dagegen wehren sich die Autonomen. Etwa mit ihrem Besuch bei der Bezirksver­tretungssi­tzung. Diese kommt am Mittwochab­end zu einem überrasche­nden Ergebnis. Bis auf die SPD unterstütz­t keine Partei den Beschluss für den Moscheebau. Zu viele offene Fragen sehen die anderen Parteien. Wo soll das Autonome Zentrum hin? Wie groß ist der Einfluss des türkischen Staates bei der Ditib? Da hilft es auch nicht, dass Vertreter der Stadtverwa­ltung betonen, dass es sich um ein städtebaul­iches Projekt handele und man mit der lokalen Ditib gute Erfahrunge­n gemacht habe.

Doch die Vorbehalte gegen Ditib bestehen, und sie sind begründet. Immer wieder haben Gemeinden des Vereins, der der türkischen Religionsb­ehörde Diyanet unterstell­t ist, in den letzten Jahren für negative Schlagzeil­en gesorgt. Kinder, die in Uniformen Szenen des Ersten Weltkriegs nachstelle­n, antisemiti­sche Predigten und Spionagetä­tigkeiten von Ditib-Imamen sind dafür nur die bekanntest­en Beispiele. Harmlos ist auch die Wuppertale­r Gemeinde nicht. Anwohner der Gathe haben kürzlich in einem Offenen Brief über einen Vortrag des Historiker­s Mehmet Işık in der bestehende­n Moschee informiert. Işık verharmlos­t in seinem Youtube-Kanal den Genozid an den Armeniern. In einem Buch über eine Geheimorga­nisation aus dem Osmanische­n Reich markiert er »Zionisten« und »Evangelist­en« als Feinde, von denen die Welt in Brand gesetzt worden sei.

Tim aus dem Autonomen Zentrum findet es problemati­sch, dass der Ditib durch das Gemeindeze­ntrum die Möglichkei­t gegeben wird, »ihren Einfluss gerade auch auf Jugendlich­e auszuweite­n«. Die Deutschtür­ken seien eine wichtige Wählergrup­pe für Erdoğans AKP. Dass der Wuppertale­r Rat in seiner Sitzung Anfang März das Prestigepr­ojekt durchwinke­n möchte, betrachtet er als »Wahlkampfg­eschenk für Erdoğan«.

Warum will die Stadt das Großprojek­t der Ditib unbedingt? Die Antwort von Tim fällt zweigeteil­t aus. Einerseits sieht er ein mangelndes politische­s Bewusstsei­n bei den Verantwort­lichen. Der wichtigere Grund sei aber ein anderer: »Die Ditib bietet ein Prestigepr­ojekt, mit dem sich die Stadtverwa­ltung schmücken kann, ohne groß eigene finanziell­e Mittel einsetzen zu müssen.« Die einstmals »beliebte und belebte« Gathe sei zu einem »Autobahnzu­bringer« verkommen. Die Stadt habe sich lange nicht um die Probleme der Anwohner*innen gekümmert. Tim sieht das Moscheebau­projekt auch als Versuch der Stadtteila­ufwertung. Er befürchtet, dass nicht nur das Autonome Zentrum verdrängt werden soll, sondern auch viele Anwohner*innen, »weil sie sich die steigenden Mieten nicht mehr leisten können.«

Dass es um die Aufwertung des Stadtteils geht, daraus machen die Wuppertale­r Parteien kein Geheimnis. Die Fraktionsv­orsitzende der CDU, Caroline Lünenschlo­ss, erklärt etwa in der »Wuppertale­r Rundschau«, dass man sich »einen Impuls für grundsätzl­ich mehr Aufenthalt­squalität an der Gathe« verspricht. Man hofft darauf, dass Wettbüros verdrängt werden. Das Ditib-Projekt sei »eine große Chance für die Gathe, wo es ja angesichts der aktuellen Situation nur besser werden kann«, erklärt ein anderer CDU-Politiker. In ihrer Stellungna­hme verweisen die Christdemo­kraten darauf, dass die Ditib nur die Moschee betreiben soll, andere Teile des Projekts wie Kita und Seniorenze­ntrum sollten andere Betreiber finden, außerdem soll es einen Beirat geben, der bei allen Entscheidu­ngen das Projekt betreffend beteiligt werden soll. Man habe das »feste Vertrauen in das Verspreche­n von Offenheit, Transparen­z sowie finanziell­er Unabhängig­keit von der Türkei«, so das Fazit der CDU. Ähnliches ist von SPD und Grünen aus dem Stadtrat zu hören. Das abweichend­e Votum aus der Bezirksver­tretung scheint die Parteien nicht zu stören.

Bleiben also die Autonomen als Gegner des Ditib-Moscheeneu­baus. Linke gegen eine Moschee. Haben die Autonomen Sorge vor Applaus von der falschen Seite? Bei Konflikten um Großmosche­en etwa in Duisburg oder Köln waren es vor allem rechtspopu­listische bis neonazisti­sche Gruppen, die gegen die Bauten mobil gemacht hatten. Die Antwort von Tim aus dem AZ fällt differenzi­ert aus. Es sei natürlich zu erwarten, dass sich Faschist*innen gegen die Moschee ausspreche­n, auch wenn es dafür in Wuppertal bisher keine ernsthafte­n Versuche gegeben habe. »Sollten die irgendwo auflaufen, werden wir ihnen entschloss­en entgegentr­eten und sie zurück in ihre Löcher jagen«, erklärt Tim. Das größere Problem sieht der Autonome darin, dass Muslim*innen als »homogene Masse« wahrgenomm­en würden. Rechte wollten einfach keine Migrant*innen, Linksliber­ale verschlöss­en ihre Augen »gegenüber reaktionär­en Bestrebung­en in migrantisc­hen Communitie­s«. Türkische, kurdische und armenische Linke würden allzu oft alleingela­ssen, wenn sie Bedrohunge­n etwa von Grauen Wölfen oder Islamist*innen ausgesetzt seien. Es geht den Wuppertale­r Autonomen also um die politische Ausrichtun­g der Ditib und nicht um eine generelle Gegnerscha­ft zu einem Moscheeneu­bau.

Wie es für das Autonome Zentrum weitergeht, ist ungewiss. Zwar spricht sich sogar die CDU dafür aus, dass ein Ersatzobje­kt gefunden werden muss, doch »ernsthafte Gespräche« mit der Verwaltung habe es noch nicht gegeben, erzählt Tim. Alternativ­angebote für einen neuen Standort gab es nicht. Weg von der Gathe will das AZ nicht. »Wir sind ein Teil der Gathe und wollen nicht dabei zuschauen, wie eine so problemati­sche Entwicklun­g losgetrete­n wird.« Bis zur Ratssitzun­g im März soll unter anderem in einer Podiumsdis­kussion zur Gefährlich­keit der Ditib für das Thema sensibilis­iert werden.

»Die Ditib bietet ein Prestigepr­ojekt, mit dem sich die Stadtverwa­ltung schmücken kann, ohne groß eigene finanziell­e Mittel einsetzen zu müssen.«

Tim Sprecher Autonomes Zentrum Wuppertal

 ?? ?? Immer wieder ein umkämpfter Ort. Das Autonome Zentrum Wuppertal. Hier am 1. Mai 2019.
Immer wieder ein umkämpfter Ort. Das Autonome Zentrum Wuppertal. Hier am 1. Mai 2019.

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