nd.DerTag

Viele Helfer, weniger Wähler

Die Wiederholu­ngswahl verlief weitgehend pannenfrei Die Horrorszen­arien blieben aus: Am Sonntag konnten die Wähler*innen problemlos ihre Stimme abgeben. Neben guter Vorbereitu­ng trug auch der kleinere Andrang dazu bei.

- NORA NOLL

13 Minuten dauert der Wahlgang von Landeswahl­leiter Stephan Bröchler. Am Sonntagmor­gen kurz vor 8 Uhr kommt Bröchler in seinem Wahllokal in Pankow an und kann kurze Zeit später seine Stimmzette­l einwerfen. Beim letzten Mal sah das noch anders aus. Am 26. September 2021, erzählt Bröchler, habe er anderthalb Stunden gewartet. Um die Zeit zu überbrücke­n, unterhielt er sich mit Nachbarn und spielte mit Kindern Fußball. Wie ihm erging es damals vielen Menschen.

Die Wiederholu­ngswahl scheint die Pannen von 2021 nicht zu wiederhole­n. Im Gegenteil: Wähler*innen berichten von leeren Wahllokale­n, Wahlhelfer*innen langweilen sich oder dürfen sogar mittags bis zur Auszählung nach Hause gehen. Statt Bildern von langen Schlangen werden Aufnahmen der umfunktion­ierten Turnhallen, Schulfoyer­s und Kneipen in den sozialen Medien geteilt, die teilweise wie ausgestorb­en wirken.

Nur kleinere Komplikati­onen werden im Laufe des Wahlsonnta­gs bekannt: Bröchler berichtet etwa von einer nicht funktionie­renden Schaltung bei einer Telefonanl­age, dies habe der Anbieter aber in kurzer Zeit behoben; oder von einem fehlenden Schlüssel für eine Wahlurne in Moabit – auch dieser sei schnell herangesch­afft worden. Zudem hätten sich mehr Wahlhelfer als erwartet coronabedi­ngt krankgemel­det. »Das konnten wir aber ausgleiche­n.« Ohnehin verlaufe keine Wahl komplett fehlerfrei: »Also kleinere Wahlfehler werden auch heute vorkommen, aber eben quasi nicht diese strukturel­len Fehler, wie wir sie 2021 hatten.«

Der Wahlforsch­er Thorsten Faas von der Freien Universitä­t Berlin mahnte zur Ruhe bei der Bewertung der Wahl. Jede minimale Komplikati­on werde »vermutlich minutiös berichtet« und möglicherw­eise auch skandalisi­ert, schrieb Faas am Sonntag auf Twitter. Er empfahl: »Bisschen locker bleiben.« Die internatio­nalen Wahlbeobac­hter des Europarats zeigten sich am Sonntagnac­hmittag bereits zufrieden. »Der Gesamteind­ruck ist, dass alles wirklich gut läuft«, sagte Delegation­sleiter Vladimir Prebilic vor Schließung der Wahllokale. »Die Dinge sind wirklich gut organisier­t, muss ich sagen.«

Dafür sind einerseits die Maßnahmen verantwort­lich, die der zu diesem Zwecke neu eingesetzt­e Landeswahl­leiter im Vorfeld der Wahlen initiiert hatte, um einen pannenfrei­en Wahlsonnta­g zu garantiere­n: Rund 42 000 Wahlhelfer*innen, 8000 mehr als 2021, wurden mit Durchführu­ng und Auszählung beauftragt. Um diese zusätzlich­e Unterstütz­ung zu finden, hatte der Senat das sogenannte Erfrischun­gsgeld für die ehrenamtli­che Arbeit von maximal 60 Euro auf 240 Euro vervierfac­ht. Außerdem hatte Bröchler die Anzahl der Wahllokale für die rund 2,4 wahlberech­tigten Berliner*innen auf 2257 erhöht.

Doch der reibungslo­se Ablauf lässt sich nicht nur auf Bröchlers Planung zurückführ­en. Es kommen am Sonntag schlicht weniger Wähler*innen an die Urnen als vor anderthalb Jahren. Während dieses Mal rund 65 Prozent der Berliner*innen ihre Stimme im Wahllokal oder per Briefwahl abgegeben haben, lag die Wahlbeteil­igung 2021 zehn Prozentpun­kte höher, bei rund 75 Prozent.

Nun lassen sich die beiden Wahlen nur bedingt vergleiche­n – 2021 zog die Zusammenle­gung der Berlin-Wahl mit der Bundestags­wahl und dem Volksentsc­heid Deutsche Wohnen und Co enteignen logischerw­eise mehr Menschen an als die ausschließ­liche Wahl des Abgeordnet­enhauses und der Bezirksver­ordnetenve­rsammlung. Doch auch ein Vergleich mit der Wahl 2016, als ebenfalls nur auf Landes- und Bezirksebe­ne gewählt wurde, zeigt einen Rückgang: 2016 wählten knapp 67 Prozent aller Wahlberech­tigten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany