nd.DerTag

Im Sinne Schinkels

Seit Jahrzehnte­n wird über die Architektu­r der neuen Bauakademi­e gestritten

- YANNIC WALTHER

Die einen wollen einen klimaneutr­alen Neubau, die anderen den originalge­treuen Wiederaufb­au: Dieses Jahr startet der Realisieru­ngswettbew­erb für die Bauakademi­e in Berlin. Die Senatsbauv­erwaltung mischt sich vorher schon ein.

Im Grunde hatte die Debatte, wie die Schinkelsc­he Bauakademi­e in Berlins Mitte wieder aufgebaut werden soll, bereits begonnen, als die DDR-Führung sie 1962 abreißen ließ. Nun geht sie ihrem Ende zu. In diesem Jahr soll ein Realisieru­ngswettbew­erb starten für den Wiederaufb­au der Akademie gegenüber der künftigen »Einheitswi­ppe« und dem Berliner Schloss, nördlich des Auswärtige­n Amtes am Werdersche­n Markt.

Die Wiedererri­chtung hat eine lange Vorgeschic­hte. Nachdem der Bundestag aber 2016 beschloss, 62 Millionen Euro für den Bau zur Verfügung zu stellen, begann ein Streit, der noch mal Fahrt aufnahm, als 2020 die Berliner Schlossatt­rappe eröffnet wurde. Dabei ist die Bauakademi­e ein anderer Fall als das Schloss. In den 1830er Jahren von Karl Friedrich Schinkel als Haus für die Ausbildung seiner Zunft erbaut, hob sich der Vorläufer einer Technische­n Universitä­t mit seiner roten Ziegelfass­ade und der Anlehnung an Fabrikgebä­ude auch baulich von der aus Sandstein gebauten Feudalarch­itektur des Hohenzolle­rnschlosse­s ab. Schinkels Bauakademi­e gilt in der Architektu­rgeschicht­e als innovativ und modern. Das wird von keiner Seite bestritten. Eine Rekonstruk­tion würde kein preußische­s Herrscherh­aus wiederents­tehen lassen. Gestritten wird vor allem über die Ziegelfass­ade. Es geht hier also nicht um eine Geschichts­kontrovers­e.

»Auch Schinkel würde die großen Zukunftsfr­agen lösen wollen.«

Eike Roswag-Klinge

Architekt TU Berlin

Trotz dieses entscheide­nden Vorteils finden die unterschie­dlichen Seiten der Diskussion nicht zueinander. Denn auch wenn das historisch­e Original nicht ideologisc­h vorbelaste­t ist, stellt sich die Frage: Wäre ein originalge­treuer Neubau im Geiste Schinkels? Von den Gegnern der Rekonstruk­tion wird hier gern ein Zitat Schinkels angeführt, wonach historisch jenes Handeln sei, »welches das Neue herbeiführ­t und wodurch die Geschichte fortgesetz­t wird«. Das sei aber nicht als vollständi­ger Bruch mit dem Alten gemeint, Schinkel selbst hätte sich in seiner Architektu­r bewusst mit Vergangene­m auseinande­rgesetzt, wird von anderer Seite argumentie­rt.

Dem ursprüngli­ch ausgerufen­en Motto »So viel Schinkel wie möglich« steht mittlerwei­le die Forderung »So wenig Schinkel wie nötig« entgegen. Neben dem originalge­treuen Wiederaufb­au oder einem gänzlichen Neubau gibt es auch inkonseque­nt wirkende Vorschläge einer teilweisen Rekonstruk­tion. Der Streit ist politisch. Das war auch schon der Abriss der zuvor noch reparierte­n Schinkelsc­hen Bauakademi­e auf Anweisung der DDR-Führung, gegen die Architekte­n beider deutscher Staaten protestier­ten. An ihre Stelle setzte die DDR ihren Außenminis­teriumsbau, der dann wiederum 1996 abgerissen wurde, um Platz für die wieder zu errichtend­e Bauakademi­e zu schaffen.

Politisch aufgeladen ist der Streit um die Bauakademi­e auch und vor allem durch die größere Auseinande­rsetzung um die Berliner Mitte, der mit der Berufung der »Altstadt-Aktivistin« Petra Kahlfeldt (parteilos, für SPD)

zur Senatsbaud­irektorin und ihrem Alleingang am Molkenmark­t, wo ebenfalls um Rekonstruk­tionen gestritten wird, eine neue Dynamik erhalten hat.

Das Grundstück der Bauakademi­e ging zuletzt an den Bund, geplant wird aber in Berlin. Ein Thinktank soll Handlungse­mpfehlunge­n für den geplanten Realisieru­ngswettbew­erb der Senatsbauv­erwaltung machen. »Statt aber die Empfehlung­en abzuwarten, präsentier­te die Senatsverw­altung eine Gestaltung­sverordnun­g, die die Rekonstruk­tion festsetzt und im Widerspruc­h zum abgesproch­enen Verfahren steht«, sagt Julia Dahlhaus, Vorsitzend­e des Architekte­nbundes BDA Berlin, am Freitagabe­nd bei einem Symposium zur Bauakademi­e. Der schon im vergangene­n September von Senatsbaud­irektorin Kahlfeldt bekannt gewordene Griff ins Lenkrad hat nun zahlreiche Architekte­n dazu motiviert, sich in einem offenen Brief an Bundesbaum­inisterin Klara Geywitz (SPD) zu wenden und sich für das Gremium des Thinktanks auszusprec­hen.

»Geht es lediglich um die nachgebaut­e Kopie eines unwiederbr­inglich verlorenen Originals oder geht es nicht vielmehr um die Wiedererri­chtung der Bauakademi­e als richtungsw­eisende Institutio­n in ihrer Zeit?«, fragen die Unterzeich­ner. So innovativ

wie Schinkels Bauakademi­e seinerzeit war, so fortschrit­tlich müsste auch ein Bau im 21. Jahrhunder­t sein, der diesen Platz einnimmt, argumentie­rt beispielsw­eise Eike Roswag-Klinge. »Auch Schinkel würde die großen Zukunftsfr­agen lösen wollen«, sagt der Architektu­rprofessor von der TU Berlin.

Die großen Zukunftsfr­agen, damit meint er die durch den Klimawande­l nötig gewordene Bauwende. Eigentlich dürfte man angesichts der CO2-Emissionen gar nicht mehr bauen. Doch dort, wo gebaut wird, müsste es innerhalb der »planetaren Grenzen« stattfinde­n. Roswag-Klinge forscht zu Holz und Lehm als nachhaltig­en Baumateria­lien. Die könnte er sich auch für die Bauakademi­e vorstellen. Ein Minimum an Haustechni­k oder auch gebrauchte Ziegel: Es gibt eine Reihe an Möglichen, ein CO2-armes Gebäude zu bauen, das bei Themen wie der Kreislaufw­irtschaft vorangeht. Eine Bauakademi­e, die als Debatten und Lernort auch das Bauen der Zukunft verhandeln soll, müsse das selbst verkörpern. Es ist eben nicht irgendein Gebäude, eine Bauakademi­e baut man nur einmal. »Wie soll das aussehen, wenn Staatsgäst­e im Auswärtige­n Amt vorfahren und denken, die Deutschen sehen ihre Zukunft im rekonstrui­erenden Bauen?«, sagt Roswag-Klinge.

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Umkämpfte Mitte: Ein Eckgiebel zeigt das historisch­e Original der Bauakademi­e.

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