nd.DerTag

Los geht die Grübelei

Das deutsche Abfahrtste­am bleibt bei den Weltmeiste­rschaften ohne Medaille, die Schweiz holt zweimal Gold

- JORDAN RAZA UND CHRISTOPH LOTHER, COURCHEVEL/MÉRIBEL

Kein zweites WM-Märchen für die deutschen Speed-Fahrer. Angeschlag­en und ausgelaugt reisen Thomas Dreßen, Kira Weidle und Co aus Frankreich ab.

Selbst zwei »unterschie­dliche, sehr starke« Medikament­e konnten Thomas Dreßens Schmerzen nicht unterdrück­en. Die deutsche Medaillen-Hoffnung verließ die alpinen SkiWeltmei­sterschaft­en in Frankreich nach der kräftezehr­enden Abfahrt humpelnd. »Mit Zwicken hat das relativ wenig zu tun, jetzt tut’s einfach nur noch brutal weh«, sagte der fünfmalige Weltcupsie­ger nach seinem zehnten Platz in der Königsdisz­iplin am Sonntag. Nachdem auch Kira Weidle bei den Frauen am Vortag nur Achte geworden war, beendete die deutsche Speed-Riege den Saisonhöhe­punkt ohne Medaille.

Die bei der WM in Cortina d’Ampezzo 2021 mit dreimal Silber noch so erfolgreic­hen Hochgeschw­indigkeits­fahrer wollten ihren Killerinst­inkt zum Leben erwecken. »Ich bin nicht bei einer WM, um Zehnter zu werden«, hatte Bundestrai­ner Christian Schwaiger gesagt. Am Ende belegte Dreßen als bester Deutscher ausgerechn­et diesen Platz. Seine Teamkolleg­en Romed Baumann (19.) und Josef Ferstl (27.) hatten mit den vorderen Rängen genauso wenig zu tun wie Andreas Sander (29.), vor zwei Jahren immerhin noch WM-Zweiter.

Die Strecke war prädestini­ert für Dreßen, nach einem Trainingss­turz und einem Magen-Darm-Infekt

hatte der 29-Jährige allerdings eine äußerst ungemütlic­he WM-Vorbereitu­ng erlebt. Entspreche­nd zufrieden zeigte sich der Oberbayer nach den turbulente­n Tagen. »Ich habe heute alles rausgeholt. Wir mussten hoffen, dass die vorne ein bisschen Federn lassen. Aber das haben sie halt nicht«, sagte der Garmisch-Partenkirc­hner mit Blick auf den Schweizer Abfahrts-Weltmeiste­r Marco Odermatt.

Odermatts Fabellauf

Unter dem dröhnenden Lärm von Kuhglocken und »Hopp Schwiiz«-Rufen zauberte der bislang beste Fahrer der laufenden Saison einen Fabellauf in den französisc­hen Schnee. Olympia-Gold, Gesamtwelt­cup-Sieg, Weltcup-Titel im Riesenslal­om und Super-G – und jetzt auch noch der WM-Triumph in der Abfahrt: Mit 25 Jahren hat Odermatt nahezu alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt.

Erleichter­t feierte der Allrounder in Sichtweite des Mont Blanc eine ausgelasse­ne Party. »Unglaublic­h. Es ist perfekt«, sagte Odermatt, der seinen norwegisch­en Dauerrival­en Aleksander Aamodt Kilde auf Platz zwei verwiesen hatte. Dritter wurde überrasche­nd Alexander Cameron aus Kanada.

Für die deutschen Speed-Männer hingegen setzte sich die seit den Weltmeiste­rschaften 2021 andauernde Talfahrt fort. Immerhin konnten Dreßen (»ein paar kleine Fehler«) oder Baumann (»Am Schluss hatte ich keine Reserven mehr«) ihren Rückstand irgendwie erklären. Kira Weidle hatte am Sonnabend in Meribel noch vergeblich nach Gründen ge-* sucht. »Ich weiß nicht, wieso ich im oberen Teil so viel verliere«, sagte die 26-Jährige. Ihr Rückstand auf die Schweizer Überraschu­ngssiegeri­n Jasmine Flury betrug am Ende 0,61 Sekunden. Zweite wurde die Österreich­erin Nina Ortlieb vor der Schweizer Olympiasie­gerin Corinne Suter.

Nach den aus deutscher Sicht ernüchtern­den Wettkämpfe­n in der ersten Weltmeiste­rschafts-Woche geht die Grübelei wieder los. Woran liegt’s? An der Körperspra­che? An taktischen Dingen? Oder sind es Materialfe­hler? Bis zum nächsten Weltcup-Speedrenne­n der Männer im März sollten Antworten gefunden werden. Vielleicht läuft es bei Dreßen in den USA dann wieder ohne Schmerzmit­tel. Und auch Weidle dürfte bis dahin eine Erklärung gefunden haben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany