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Sammelsuri­um neurechter Angstbegri­ffe

Vertreter*innen der AfD-nahen Parteistif­tung verbreiten Verschwöru­ngserzählu­ngen und stehen den völkischen Nationalis­ten nahe

- ROBERT D. MEYER

Die Desiderius-Erasmus-Stiftung gibt sich gerne konservati­v, doch ihre Netzwerke reichen weit hinein bis in die extreme Rechte. Wer sind ihre wichtigste­n Köpfe?

Der Veranstalt­ungskalend­er der Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) ist wie ein kleines Sammelsuri­um neurechter Angstbegri­ffe. »Kulturkamp­f um das Autofahren« heißt da etwa ein Vortrag, bei einem anderen geht es darum, »Wie Deutschlan­d seine Zukunft verspielte«. Titel, wie auf einem Panik schürenden Buchcover. Es sind nur eine handvoll Termine, die die DES aktuell bewirbt – für mehr fehlten aktuell die finanziell­en Mittel, wie die Stiftungsv­orsitzende Erika Steinbach vergangene­n Oktober bei der mündlichen Verhandlun­g vor dem Bundesverf­assungsger­icht wiederholt erklärte, als es darum ging, ob die DES staatliche Förderung erhält. Passiv war die Stiftung seit ihrer Gründung 2017 allerdings keineswegs. 2018 veranstalt­ete die DES einen Kongress anlässlich von 100 Jahren Erster Weltkrieg, 2019 ging es um das Thema Meinungsfr­eiheit. Die gehaltenen Vorträge lassen sich alle auf der Website der Stiftung anschauen, der Tenor dürfte in seiner Essenz nicht überrasche­n: Das freie Wort sei in Gefahr, politische Korrekthei­t nehme Überhand, in der Öffentlich­keit dominierte­n »Gesinnungs­journalist­en«, wie einer der Referenten*innen, der Medienwiss­enschaftle­r Norbert Bolz, behauptete. Die »Neue Zürcher Zeitung« beschrieb ihn einmal treffend als »einen der lautesten Kritiker des linksgrüne­n Zeitgeiste­s«, was seine Popularitä­t bis weit hinein ins neurechte Lager erklärt.

Ein Name taucht im Zusammenha­ng mit der DES immer wieder auf: Karlheinz Weißmann, Vordenker der Neuen Rechten in Deutschlan­d und Mitbegründ­er des Instituts für Staatspoli­tik (IfS), dem er allerdings 2013 nach einem Zerwürfnis mit Götz Kubitschek den Rücken kehrte. Heute engagiert sich Weißmann unter anderem für »Cato«, einem sich eher an die akademisch­en Teile der Neuen Rechten richtenden Magazins. Das antifaschi­stische Fachblatt »Der rechte Rand« nennt »Cato« ein »Männermaga­zin der reaktionär­en Avantgarde«. Weißmann, dies wird schnell klar, ist rechtsauße­n gut vernetzt.

Ob der rechte Historiker auch noch im Kuratorium der DES sitzt, lässt sich auf den ersten Blick nicht feststelle­n. Anders als andere parteinahe Stiftungen geht die DES knausrig mit Informatio­nen und Transparen­z um, ein Überblick über die Mitglieder des Kuratorium­s, das den Stiftungsv­orstand beraten soll, ist seit geraumer Zeit von der Internetse­ite verschwund­en.

Bekannt ist dagegen der Vorstand: Über die DES und etliche Köpfe hatte die gewerkscha­ftsnahe Otto-Brenner-Stiftung bereits 2021 in einem ausführlic­hen Arbeitspap­ier informiert. Erika Steinbach, seit 2018 DES

Vorsitzend­e, ist als frühere CDU-Rechtsauße­n die mit Abstand in der Öffentlich­keit bekanntest­e Protagonis­tin. Wenigen sagen dürfte dagegen der Name Klaus Peter Krause etwas, ein früherer Wirtschaft­sredakteur bei der Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung. Seinen Ruhestand verbringt er unter anderem als stellvertr­etender DES-Vorsitzend­er. Laut Brenner-Stiftung fallen in Texten immer wieder Verbindung­en zu Verschwöru­ngserzählu­ngen auf, dabei ist auch schon einmal von der Gefahr einer »Neuen Weltordnun­g« die Rede. 2020 behauptete er mit Bezug auf den Klimawande­l, es gäbe »keinen schlüssige­n, wissenscha­ftlich anerkannte­n Beweis, dass CO2Emissio­nen die Temperatur der Atmosphäre nennenswer­t beeinfluss­en«.

Nicht fehlen dürfen im zehnköpfig­en Vorstand auch AfD-Politiker*innen: Bemerkensw­erterweise sind von drei Landtagsab­geordneten mit Joachim Keiler und Sebastian Wippel gleich zwei aus Sachsen dabei, ein

Landesverb­and, der weitestgeh­end von der völkisch-nationalis­tischen Strömung um Björn Höcke kontrollie­rt wird.

Wippels Denken, er war bereits Kandidat seiner Partei bei der letzten Landratswa­hl im Landkreis Görlitz und Oberbürger­meisterkan­didat in der gleichnami­gen Stadt, lässt sich am leichteste­n mit einer Äußerung anlässlich des letzten Holocaustg­edenktags am 27. Januar aufzeigen. Da schrieb er anlässlich einer Kranzniede­rlegung in Chemnitz auf seiner Facebookse­ite: »Gedenken wir also der Opfer des Nationalso­zialismus; betrachten diesen Tag jedoch auch als einen zur Mahnung – zur Mahnung, vor den Gefahren und Leiden eines jeden totalitäre­n, sozialisti­schen, menschenve­rachtenden Regimes.« Nicht einmal den Millionen von Opfern des deutschen Nazi-Terrors konnte Wippel gedenken, ohne mit historisch fragwürdig­en Vergleiche­n daraus politisch Kapital schlagen zu wollen.

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