Vom Partisan zum Söldner
Die bunt gemischte Wagner-Gruppe sorgt für Aufsehen Die Söldnertruppe Wagner führt die Offensive gegen Bachmut seit Monaten an und hat dabei große Verluste erlitten. Darunter ist mit Alexander Kowtun einer der »Partisanen von Primorje«.
Jewgeni Prigoschin ist ein Mann der starken Töne. Der Chef der paramilitärischen WagnerTruppe, die im Angriffskrieg Russlands an vorderster Front mitmischt, hat dem Generalstab der Armee »Verrat« vorgeworfen, weil dieser sich weigere, den in der Ukraine kämpfenden Wagner-Söldnern Ausrüstung bereitzustellen. »Der Generalstabschef und der Verteidigungsminister erteilen auf Teufel komm raus Befehle, der paramilitärischen Gruppe Wagner nicht nur keine Munition zu geben, sondern sie auch nicht durch Lufttransporte zu unterstützen«, sagte Prigoschin in einer im Online-Dienst Telegram veröffentlichten Audiobotschaft.
Das Verteidigungsministerium in Moskau wies diese Vorwürfe am Dienstagabend nicht nur zurück, es verbreitete auch eine Auflistung von an die Wagner-Gruppe gelieferter Munition. Zugleich würdigte es »den Mut« russischer »Freiwilliger« im Kampf und kritisierte »Spaltungsversuche«. Diese seien »kontraproduktiv und spielen nur dem Feind in die Hand«.
Freiwilliger Partisan
Zu den Freiwilligen aller Art, die teilweise auch in Gefängnissen rekrutiert wurden, gehörte auch Alexander Kowtun. Er fiel bei den Kämpfen in der Ukraine. Eine Nachricht, die in Russland für Irritation sorgte. 13 Jahre ist es her, dass der Name von Alexander Kowtun in ganz Russland bekannt wurde. Von Februar bis Juni 2010 haben Kowtun und seine sieben Mittäter in der fernöstlichen Region Primorje diverse Überfälle auf Milizionäre und vermeintliche Drogenhersteller verübt. Ihre Aktionen kosteten sechs Menschen das Leben, zwei davon waren Milizionäre im Dienst, die anderen angebliche Dealer. Dabei pochten die »Partisanen von Primorje«, wie sie sich selber nannten, darauf, dass ihre Aktionen politisch motiviert waren und keine eigennützigen Zwecke verfolgten.
Die Gruppe um Alexander Kowtun und Andrei Suchorada behauptete, gegen die Polizeigewalt und Korruption zu kämpfen, die von ihnen erschossenen Beamten sollen Drogenherstellung und Vertrieb gedeckt haben. Drogen wiederum waren für die »Partisanen« nur einer von vielen Symptomen des Verfalls der Gesellschaft. Wie sich Kowtun erinnerte, waren er und seine Mitstreiter auch auf Homosexualität, Jugendsubkulturen und Migration nicht gut zu sprechen. Die Gruppe hatte sich in der örtlichen Skinheadszene sozialisiert, bereits als Jugendliche attackierten die zukünftigen Partisanen chinesische und koreanische Migranten, »weil Russland russisch bleiben sollte«.
Linke solidarisch mit Kowtun
Nachdem die sechs festgenommenen »Partisanen« vor Gericht gestellt wurden, galt Kowtun als führender Kopf. Die Partisanen bekamen überraschend viel Unterstützung aus dem oppositionellen Lager. Unbeindruckt von deren nationalistischer Gesinnung zeigten sich etliche Liberale und Linke solidarisch mit den »einfachen Leuten«, die bereit waren, bewaffnet zu kämpfen. Der Aktionskünstler Pjotr Pawlenski wollte 2016 seinen von der Human Rights Foundation gestifteten Václav-Havel-Preis für die juristische Unterstützung der Partisanen spenden, woraufhin ihm die Stiftung den Preis entzog. Die »Partisanen« wurden als »Volksrächer« und »Robin Hoods« bezeichnet, vielfach wurde über die möglichen Nachahmer spekuliert.
Die ursprüngliche lebenslängliche Freiheitsstrafe für Kowtun wurde 2015 vom Obersten Gericht auf 25 Jahre heruntergesetzt. In der Haft konvertierte Kowtun zum Islam und nahm den Namen Sejfullah an. Seiner neuen Religion rechnete er vor allem ihren Widerstand gegen den Werteverfall hoch an. Am 17. Februar meldete das Nachrichtenportal der Anwälteorganisation von Primorje, Kowtun sei bereits am 29. Januar »auf dem Gebiet der Durchführung der militärischen Spezialoperation im Einsatz gefallen«. Wann er sich bei der Wagner-Gruppe verpflichtet hat, blieb ungeklärt.