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Wang Yi stärkt Putin den Rücken

Russlands Präsident erhält von Chinas Topdiploma­ten verbale Unterstütz­ung beim Moskau-Besuch

- FABIAN KRETSCHMER, PEKING

Chinas ehemaliger Außenminis­ter Wang Yi wurde in Moskau von Lawrow und Putin empfangen. Wang betonte Pekings Bereitscha­ft, »die strategisc­he Partnersch­aft (...) und die Zusammenar­beit in alle Richtungen« mit Moskau zu stärken.

Die Optik ließ keine Zweifel aufkommen: Als Chinas führender Außenpolit­iker Wang Yi auf den russischen Präsidente­n Wladimir Putin traf, herrschte demonstrat­iv ausgelasse­ne Stimmung. Der kleine ovale Tisch, an dem die beiden nach einem herzlichen Handschlag Platz nahmen, ist für Putins Verhältnis­se geradezu intim. Und auch rhetorisch gab man sich betont freundlich. Putin pries die bilaterale­n Beziehunge­n, die »neue Grenzen« erreichen würden. Wang sprach zudem davon, dass man die »umfassende strategisc­he Partnersch­aft weiter stärken« werde. Die russisch-chinesisch­en Beziehunge­n seien »nicht gegen Drittlände­r gerichtet und widerstehe­n deren Druck«, sagte Wang.

Der Moskau-Besuch des chinesisch­en Spitzendip­lomaten, der auch zur Vorbereitu­ng für einen geplanten Gipfel zwischen Staatschef Xi Jinping und Putin dient, hat erneut bekräftigt, dass China seine zweigleisi­ge – und auch widersprüc­hliche – Position nicht geändert hat: Im Westen präsentier­t man sich als »neutraler Vermittler« und »friedensli­ebende Nation«, im Kreml hingegen feiert man die »felsenfest­e« Freundscha­ft. »Im Grunde versucht China also auf zwei Hochzeiten gleichzeit­ig zu tanzen«, fasst es Evan Feigenbaum, Vizepräsid­ent beim Washington­er »Carnegie Endowment for Internatio­nal Peace«, in einem aktuellen Podcast zusammen.

Zumindest eins muss man der chinesisch­en Haltung lassen: Sie ist seit Beginn des Kriegs in der Ukraine konsistent. Die Regierung wird in ihrer Abwägung ausschließ­lich von Eigeninter­essen getrieben. Auf strategisc­her Ebene unterstütz­t sie Russland, etwa indem chinesisch­e Regierungs­vertreter die Propaganda aus dem Kreml übernehmen und sogar aktiv dessen Desinforma­tionskampa­gnen verbreiten. Im Gegenzug lässt man sich mit Energielie­ferungen zu günstigen Konditione­n bezahlen, die Ölexporte von Russland nach China haben im Januar zuletzt ein Rekordhoch erreicht. Und die Handelsbez­iehungen könnten im laufenden Kalenderja­hr die 200-Milliarden-Dollar-Marke durchbrech­en, was einen Anstieg von knapp zehn Prozent darstellen würde.

Offene, ja selbst zaghafte Kritik an Putin ließ Peking bislang nicht im Geringsten durchblick­en. Daran hat auch der jetzige Moskau-Besuch von Wang Yi nichts geändert. Die bislang einzige rote Linie, die Xi

Jinping gezogen hat, lässt sich als Mindestmaß an Anständigk­eit bezeichnen: Man toleriere weder den Einsatz von noch das Drohen mit Nuklearwaf­fen. Ansonsten ist im Universum der chinesisch­en Staatsmedi­en nur eine Partei schuld am Krieg: die Vereinigte­n Staaten.

Putins Suspendier­ung des Vertrags »New Start« wurde in Peking nur indirekt bemängelt. Beim Außenminis­terium hieß es am Mittwoch, dass der »letzte verblieben­e Rüstungsko­ntrollvert­rag zwischen den USA und Russland von großer Bedeutung für die Aufrechter­haltung der globalen Stabilität« sei. Man hoffe, dass die diesbezügl­ichen Differenze­n zwischen den USA und Russland durch einen Dialog gelöst werden können, »um eine reibungslo­se Umsetzung des Vertrags zu gewährleis­ten«.

Die russisch-chinesisch­en Beziehunge­n seien »nicht gegen Drittlände­r gerichtet und widerstehe­n deren Druck«.

Chinas Haltung ist keine gute Voraussetz­ung für eine Vermittler­rolle. Noch während der Münchner Sicherheit­skonferenz hat die Weltmacht ein »Positionsp­apier« zum Ukraine-Krieg angekündig­t, das China als diplomatis­chen Vermittler ins Spiel bringen soll. Auch dabei stehen wohl vor allem die Eigeninter­essen des Landes im Vordergrun­d: Man sieht die Chance gekommen, sich als verantwort­liche Staatsmach­t zu präsentier­en. Auf Abstand zu Putin, dem Aggressor des Krieges, wird China jedoch kaum gehen.

Immer offener melden sich chinesisch­e Experten zu Wort, die in ihren Analysen zum Fazit gelangen, dass das Reich der Mitte vom derzeitige­n Status quo durchaus profitiert. »Ich glaube wahrhaftig, dass das asiatische Jahrhunder­t bereits angekommen ist. Die internatio­nale Geopolitik verlagert sich nach Ostasien, und der Krieg in der Ukraine ist dabei nur ein Beschleuni­ger«, sagte zuletzt Zhou Bo, pensionier­ter Oberst der Volksbefre­iungsarmee und politische­r Kommentato­r, im indischen Fernsehen.

Seine in der chinesisch­en Elite weit verbreitet­e Annahme unterstell­t, dass sich der politische Westen im Niedergang befindet – und dabei auch isolierter ist, als es in Brüssel und Washington angenommen wird: Denn die meisten großen Länder des Globalen Südens, darunter auch Indien, haben beim Ukraine-Krieg eine ähnliche Russland freundlich gesonnene Haltung wie China eingenomme­n.

Wang Yi chinesisch­er Topdiploma­t

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Chinas Topdiploma­t Wang Yi wird von Russlands Präsident Putin freundlich empfangen.

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