nd.DerTag

Gipfel gegen Polizeigew­alt?

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Wer über Jugendgewa­lt spricht, darf von Polizeigew­alt nicht schweigen, meint Nora Noll.

Mitternach­tssport und länger geöffnete Jugendeinr­ichtungen, Workshops mit der Feuerwehr und eine Wohnagentu­r, die jungen Menschen dabei helfen soll, mit dem Einstieg ins Erwachsene­nleben aus dem Kinderzimm­er ausziehen zu können: Alles gute Maßnahmen, die auf dem zweiten Gipfel gegen Jugendgewa­lt beschlosse­n wurden. Denn es ist richtig, sich die Lebenssitu­ation junger Berliner*innen anzusehen, wenn man die Krawalle an Silvester verstehen und in Zukunft verhindern will.

Doch um einen Punkt macht das Maßnahmenp­apier einen großen Bogen: Nicht nur Rettungskr­äfte wurden angegriffe­n, Raketen und Böller flogen maßgeblich auf die Polizei. Und dafür gibt es neben Frustratio­n, Perspektiv­losigkeit oder anderen psychologi­sierenden Erklärunge­n einen wichtigen Grund: Rache. Rache an der Staatsgewa­lt, die insbesonde­re migrantisi­erte Jugendlich­e schikanier­t und auf kleine Verstöße mit Härte antwortet, frei nach dem Motto: Zuckerbrot und Peitsche. Nur ohne Zuckerbrot.

Ein besonders extremes Beispiel stellt der Polizeiein­satz am Wochenende im Hauptbahnh­of dar. Eine 14-Jährige soll im Drogeriema­rkt beim Klauen erwischt worden sein. Der Ladendetek­tiv nahm ihr laut Polizeimel­dung mehrere Messer ab und hielt sie fest, bis die Bundespoli­zei kam. Was dann geschah, lässt sich leider bisher nur aus der Polizeidar­stellung erschließe­n. Das Mädchen soll ein weiteres Messer gezückt – oder nur in der Hand gehalten – haben. Daraufhin schoss einer der Beamten und traf es an der Hand.

Unabhängig davon, wie sich der Einsatz im Detail abspielte, wirkt der Schusswaff­engebrauch ungerechtf­ertigt. Und er steht exemplaris­ch für das grundlegen­de Paradox der Sicherheit­spolitik, soziale Probleme mit Repression und Gegengewal­t zu lösen. Wenn dem Senat wirklich daran gelegen ist, in diesem Jahr einen entspannte­ren Rutsch zu feiern, dann bräuchte es: weniger Polizei in den »Problemkie­zen« und eine ernsthafte Aufklärung von Polizeigew­alt.

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FOTO: ND/FRANK SCHIRRMEIS­TER

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