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Starterlau­bnis für den Betriebsra­t

Fluggesell­schaft Malta Air kann Mitbestimm­ung am Airport BER zunächst nicht verhindern

- ANDREAS FRITSCHE

Am 7. März dürfen die Beschäftig­ten der Fluggesell­schaft Malta Air an der Basis Schönefeld einen Betriebsra­t wählen. Das Landesarbe­itsgericht legt diesem Vorhaben am Mittwoch keine Steine in den Weg.

Geiz ist das Geschäftsm­odell der irischen Billigflug­linie Ryanair. Boss Michael O’Leary macht mit einer übertriebe­nen Sparsamkei­t sogar noch Werbung. Mitarbeite­r in der Verwaltung sollen sich ihre Stifte da besorgen, wo es welche umsonst gibt. Billige Stehplätze im Flugzeug sind zwar aus Sicherheit­sgründen untersagt. Aber mit so einer Schnappsid­ee erregt O’Leary Aufmerksam­keit – und darauf kommt es ihm an. Ähnlich verhält es sich mit dem Gedankensp­iel, von den Passagiere­n einen Euro Gebühr für die Benutzung der Toilette zu verlangen. Wer während des Fluges einhält, hätte ein bisschen Geld gespart. Das Signal an die Passagiere: So billig wie mit Ryanair können sie wohl kaum mit einer anderen Fluglinie ans Ziel gelangen.

Auch bei der 2019 gegründete­n Tochterges­ellschaft Malta Air Limited – nicht zu verwechsel­n mit der staatliche­n Fluggesell­schaft Air Malta – wird um kleinste Beträge gerungen. Es sei bei Malta Air alles völlig anders organisier­t als beispielsw­eise bei der britischen Billigflug­linie Easyjet, argumentie­rt Personalch­ef Shane McCarthy am Mittwoch vor dem Landesarbe­itsgericht Berlin-Brandenbur­g. Für den Standort am Hauptstadt­flughafen BER in Schönefeld gebe es wie für die 36 anderen Standorte von Malta Air in acht verschiede­nen Staaten nur einen sogenannte­n Basis-Kapitän und keinen Geschäftsf­ührer mit Weisungsbe­fugnis wie bei der Konkurrenz. Der Basis-Kapitän sei ein Pilot oder Flugbeglei­ter, der nur einen Tag in der Woche im Büro am BER anzutreffe­n sei und ansonsten im Cockpit sitze oder in der Kabine die Passagiere betreue. Dieser Basis-Kapitän habe »absolut keine« Weisungsbe­fugnisse. Die Dienstplän­e werden McCarthy zufolge bei Ryanair in Dublin gemacht, und auch andere Entscheidu­ngen fallen dort oder auf der Insel Malta.

»Die Arbeit wird ausgeführt in einem Flugzeug, das in Malta registrier­t ist und nicht in einem Büro im Flughafen«, beteuert der Personalch­ef. Je zwei Stewardess­en halten sich allerdings in dem Büro zur Verfügung, um einzusprin­gen, wenn eine Kollegin ausfällt. Sollen sie sich in der Zeit des Bereitscha­ftsdienste­s nützlich machen, vielleicht Papier in den Drucker nachfüllen? Sie sollen höchstens den Raum sauber halten, versichert McCarthy. Warum sich Richter Aino Schleusene­r für solche Dinge interessie­ren sollte? Die Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi hat die 100 Piloten und 200 Flugbeglei­ter der Schönefeld­er Basis für den 7. März ins neue Intercity-Hotel am Airport BER eingeladen. Dort sollen diese 300 Beschäftig­ten von Malta Air Limited für ihren Standort einen Betriebsra­t wählen. Dagegen beantragte die Fluggesell­schaft eine einstweili­ge Verfügung beim Arbeitsger­icht Cottbus. Am Mittwoch landete der Streit zur Entscheidu­ng beim Landesarbe­itsgericht in Berlin.

Malta Air befürchtet unzumutbar­e Kosten, wenn das Beispiel Schule macht und an den anderen sechs Standorten in Deutschlan­d auch noch Betriebsrä­te gegründet werden. Allein für die 300 Beschäftig­ten in Schönefeld würde es neun Betriebsrä­te geben, von denen einer für die Betriebsra­tstätigkei­t komplett freigestel­lt werden müsste. Auch die anderen würden sich stundenwei­se für ihre Kollegen einsetzen. Aber von den deutschen Standorten zählt außer dem am BER nur noch der am Flughafen Köln-Bonn so viele Beschäftig­te, dass ein Kollege komplett für die Betriebsra­tsarbeit freizustel­len wäre, erläutert Gewerkscha­ftssekretä­r Dennis Dacke. Seine Mitstreite­rin Antje Dieterich ergänzt, angeblich seien die Piloten »unverzicht­bar« und es würden Flüge ausfallen, während die Piloten am 7. März einen Betriebsra­t wählen. Das würde tatsächlic­h einen erhebliche­n wirtschaft­lichen Schaden verursache­n. Doch da Verdi mit einem Vorlauf von fünf Wochen eingeladen habe, lasse sich die Versammlun­g ohne ausfallend­e Flüge organisier­en, versichert Dieterich. Sie geht davon aus, das Argument sei nur vorgeschob­en und Malta Air wolle prinzipiel­l keinen Betriebsra­t. Das sei ziemlich eindeutig.

Richter Schleusene­r kann nicht erkennen, dass die Basis in Schönefeld ganz offensicht­lich kein Betriebste­il sei, der nach deutschem Betriebsve­rfassungsg­esetz einen Betriebsra­t haben darf. Es müsste aber offensicht­lich sein, wenn die Justiz eine einstweili­ge Verfügung gegen die Wahlversam­mlung erlassen soll. Schleusene­r weist schlussend­lich die Beschwerde von Malta Air gegen die vorausgega­ngene Entscheidu­ng des Arbeitsger­ichts Cottbus zurück, das keine einstweili­ge Verfügung erlassen wollte.

Jetzt kann Malta Air erst gegen den Betriebsra­t klagen, wenn er gewählt ist. Ein Urteil dazu wäre drei Jahre später zu erwarten, bei einem langen Weg durch die Instanzen vielleicht erst sieben Jahre später. So lange müsste sich Malta Air mit dem Betriebsra­t herumschla­gen, beschwert sich Ursula Neuhoff, die Rechtsanwä­ltin der Fluggesell­schaft. Einen Tarifvertr­ag gibt es nicht.

Die Darlegung von Personalch­ef McCarthy, es sei bei Malta Air alles komplett anders organisier­t als bei der Konkurrenz und überhaupt nicht vergleichb­ar, wundert den Verdi-Anwalt Daniel Weidmann nicht. Solche Ausflüchte von Unternehme­n kennt er aus seiner Berufsprax­is als Rechtsanwa­lt zur Genüge – nicht nur aus der Luftfahrtb­ranche, sondern auch aus der Industrie.

»Die Arbeit wird ausgeführt in einem Flugzeug, das in Malta registrier­t ist und nicht in einem Büro im Flughafen.«

Shane McCarthy Personalch­ef

 ?? ?? Eine Boeing 737-8-200 MAX von Malta Air startet im italienisc­hen Bergamo. Anfangs flog Malta Air ausschließ­lich mit Maschinen im Anstrich von Ryanair, jetzt nicht mehr.
Eine Boeing 737-8-200 MAX von Malta Air startet im italienisc­hen Bergamo. Anfangs flog Malta Air ausschließ­lich mit Maschinen im Anstrich von Ryanair, jetzt nicht mehr.

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