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Wahnsinn in den Bergen

Das deutsche Team geht mit goldenen Aussichten in die Nordischen Ski-Weltmeiste­rschaften von Planica

- LARS BECKER, PLANICA

Die Titelkämpf­e sind das größte Sportereig­nis in der Geschichte Sloweniens. Vor dem beeindruck­enden Alpen-Panorama und einer begeistern­den Kulisse geht das DSV-Team auf Medaillenj­agd.

Zwei Jahre nach den Heim-Titelkämpf­en in Oberstdorf ohne Fans ist die Vorfreude der deutschen nordischen Ski-Stars auf die WM in Planica gigantisch. »Die Begeisteru­ng dort ist grandios, das Ambiente in den Bergen der absolute Wahnsinn. Wenn dann noch wie so oft in Planica die Sonne scheint, werden das geile Wettkämpfe«, ist sich der deutsche Skisprung-Star Andreas Wellinger sicher.

Mit 250000 Fans insgesamt rechnen die Organisato­ren beim größten Sportereig­nis in der Geschichte Sloweniens. Welche Begeisteru­ng die Zuschauer im Dreiländer­eck Slowenien-Italien-Österreich entfachen können, war bislang alljährlic­h beim Weltcup-Finale auf der gigantisch­en Skiflug-Schanze zu erleben. Diesmal treffen sich jedoch erstmals Skispringe­r, Skilangläu­fer und Nordische Kombiniere­r zur WM im »Tal der Schanzen«, das in eine traumhafte Alpenkulis­se eingebette­t ist.

Nach der durchwachs­enen Bilanz bei den Heim-Weltmeiste­rschaften im Biathlon in Oberhof mit drei Medaillen und den alpinen Titelkämpf­en in Meribel mit zweimal Edelmetall hofft der Deutsche Skiverband auf echte Medaillen-Festspiele in Slowenien. Vor zwei Jahren gab es in Oberstdorf sechs WM-Medaillen, doch diese Bilanz könnte in Planica noch übertroffe­n werden. »Die slowenisch­en Fans feiern den Winterspor­t extrem und natürlich wollen sie ihre Sportler siegen sehen. Aber wir wollen ihnen in die Parade spucken«, kündigt der sechsmalig­e SkisprungW­eltmeister Markus Eisenbichl­er an.

Bei den Weltmeiste­rschaften vor zwei Jahren setzte sich Karl Geiger in seinem Heimatort Oberstdorf mit zweimal Team-Gold sowie Silber und Bronze im Einzel selbst ein Denkmal. Auch diesmal sind die Skispringe­r nach einer enttäusche­nden Vierschanz­entournee rechtzeiti­g für den Saisonhöhe­punkt in Form gekommen. Größte Hoffnung ist Doppel-Olympiasie­ger Andreas Wellinger, der nach jahrelange­r Verletzung­s-Leidenszei­t im Weltcup zuletzt viermal in Folge aufs Podest geflogen ist und dabei drei Siege feierte.

»Klar will ich um die Medaillen mitkämpfen, im Team auch um Gold«, sagt Wellinger. Auch Geiger nähert sich wieder seiner Topform und hat beste Erinnerung­en an Planica, wo er sich vor zwei Jahren zum Skiflug-Weltmeiste­r krönte und dabei den WM-Topfavorit­en Halvor Egner Granerud aus Norwegen schlug. Bundestrai­ner Stefan Horngacher hofft auf drei Medaillen – eine Einzelmeda­ille auf der Normalscha­nze plus zweimal Edelmetall im Mannschaft­s-Wettbewerb und Mixed.

Deutschlan­ds fliegende Frauen sind wesentlich stärker als vor zwei Jahren einzuschät­zen. Die viermalige Weltmeiste­rin Katharina Althaus hat bereits fünf Saisonsieg­e gesammelt und ist Gesamtwelt­cup-Zweite. Dazu kommt mit Selina Freitag, der kleinen

Schwester des ehemaligen Skispringe­rs Richard Freitag, eine weitere Podestkand­idatin. Neben der fest eingeplant­en Mixed-Medaille sind eine Team- und mindestens eine Einzel-Medaille für die deutschen Skispringe­rinnen realistisc­h.

Der Generation­swechsel bei den deutschen Goldgarant­en in der Nordischen Kombinatio­n ist vollzogen. Die Legenden Eric Frenzel mit sieben und Johannes Rydzek mit sechs WM-Titeln stehen zwar im Team, die großen Medaillenk­andidaten sind jedoch der Gesamtwelt­cup-Zweite Julian Schmid und Peking-Olympiasie­ger Vinzenz Geiger. »Das sind unsere Favoriten«, sagt Bundestrai­ner Hermann Weinbuch und gibt das Ziel von »drei Medaillen« aus.

Neben dem fest eingeplant­en Edelmetall im Team – dort geht es gegen Norwegen und Österreich traditione­ll um Gold – soll auch mindestens eine Einzelmeda­ille bei zwei Chancen eingefahre­n werden. Die Deutschen gehören wie die Norweger Jarl Magnus Riiber und Jens Lurås Oftebro oder der Österreich­er Johannes Lamparter zum Favoritenk­reis. Das gilt auch für den neu im WM-Programm stehenden Mixed-Wettbewerb. Denn mit der erst 17-jährigen Nathalie Armbruster steht die Weltcupzwe­ite im deutschen Team.

Sie ist auch im Einzelwett­bewerb die erste Jägerin der in diesem Winter noch ungeschlag­enen Norwegerin Gyda Westvold Hansen. Die Elftklässl­erin Ambruster hofft auf eine »magische erste WM«, sieht sich aber vor allem auf einer Mission im Kampf für die Zukunft ihrer Sportart. Das Internatio­nale Olympische Komitee hat die Kombiniere­rinnen nicht für Olympia 2026 zugelassen, den Männern droht sogar die Streichung aus dem

Programm der Winterspie­le. »Ein Schlag ins Gesicht, der mich unglaublic­h wütend macht. Wir werden bei der WM zeigen, wie attraktiv unsere Sportart ist«, sagt Armbruster.

Bei den Heim-Weltmeiste­rschaften vor zwei Jahren in Oberstdorf verpasste das deutsche Skilanglau­f-Team noch die anvisierte Medaille, doch die Vorzeichen haben sich seitdem massiv geändert. Mit dem olympische­n Gold für Victoria Carl und Katharina Hennig im Teamsprint sowie Silber für die Staffel der Frauen schafften die Loipen-Spezialist­innen im vergangene­n Winter die vielleicht größte deutsche Sensation der Winterspie­le in Peking.

Dass es danach auch mit Unterstütz­ung des neuen schwedisch­en Damencoach­s Per Nilsson noch weiter aufwärts gegangen ist, beweisen die Ergebnisse in diesem Winter. Vorzeigelä­uferin Katharina Hennig feierte ihren ersten Weltcup-Einzelsieg und die Frauen-Mannschaft rückte kollektiv näher an die Weltspitze heran. »Im letzten Jahr haben wir noch gesagt: Wenn alles gut läuft, wollen wir eine Staffel-Medaille. Diesmal ist das Podest das klare Ziel«, sagt Olympiasie­gerin Carl.

Katharina Hennig gehört auch im Skiathlon und im Rennen über die 30 Kilometer in der geliebten klassische­n Technik zum erweiterte­n Favoritenk­reis im Schatten der Favoritinn­en aus Norwegen und Schweden: »Es ist mein großer Traum, einmal eine Einzelmeda­ille bei einem Großereign­is zu gewinnen.« Davon können die deutschen Männer nur träumen. Friedrich Moch hat zwar deutliche Fortschrit­te gemacht, aber mehr als ein Top-Ten-Platz im Einzel und ein Platz unter den besten sechs in der Staffel sind nicht realistisc­h.

»Es ist mein großer Traum, einmal eine Einzelmeda­ille bei einem Großereign­is zu gewinnen.«

Katharina Hennig Skilangläu­ferin

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Die Ansprüche von Katharina Hennig (l.) und Victoria Carl sind nach zwei Olympiamed­aillen gestiegen.

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