Die deutschen Fußballerinnen starten holprig ins WM-Jahr
Beim torlosen Remis gegen die Schwedinnen offenbart das DFB-Team viele Schwachstellen
Das Fazit fiel allseits ernüchternd aus, die DFB-Frauen wähnten sich schon weiter. Für den dritten Stern müssen sie die Magie der EM wiederbeleben.
Alexandra Popp blies die Wangen auf und ließ die Lippen flattern. Die Einordnung des Warnschusses zum Start in das WM-Jahr fiel der Jubilarin schwer. Die rackernde Kapitänin hatte sich zwar wieder das Prädikat »Mentalitätsmonster« verdient – doch die mitreißende Magie der EM, die die deutschen Fußballerinnen auf ihrer Mission zum dritten Stern beflügeln soll, war kaum zu erahnen.
»Wir haben natürlich schon noch etwas Zeit bis zur WM, Gott sei Dank«, beschwichtigte Popp nach dem holprigen 0:0 gegen Schweden in Duisburg, ihrem 125. Länderspiel. Das zeigte auf: In den fünf Monaten vor der Endrunde in Australien und Neuseeland gibt es noch viel zu tun: »Wir haben gesehen, an welchen Stellschrauben wir arbeiten müssen. Es war für viele auch brutal schwierig, in ein neues System zu kommen.«
Doch längst nicht nur die ausprobierte Dreierkette in den letzten 20 Minuten der Partie bereitete nach einem sechstägigen Trainingslager in Marbella Probleme. »Es war mehr ein Fußball-Kampf. Wir brauchen mehr Sicherheit im Spielaufbau«, monierte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. Da wähnten sich die Vize-Europameisterinnen nach dem Sommermärchen in England doch schon deutlich weiter. Auch die TV-Quote von 2,61 Millionen Fans mit einem Marktanteil von 11,4 Prozent am frühen Dienstagabend war weit entfernt von den Zahlen der begeisternden Europameisterschaft.
»Wir haben schon noch Entwicklungspotenzial«, meinte auch Nationaltorhüterin Merle Frohms, die vor 20 169 Fans gleich mit mehreren Glanztaten einen richtigen Fehlstart verhindern musste. Gerade im Mittelfeld wurde ihre erkrankte Wolfsburger Teamkollegin Lena Oberdorf als Anker und Abräumerin schmerzlich vermisst. »Wir wissen natürlich, dass wir eine der weltbesten Spielerinnen auf der Position sechs haben, und die ist so wichtig«, räumte Voss-Tecklenburg ein.
Hilfe vom Bundeskanzler
Wie viel unsicherer das Nationalteam ohne die 21-Jährige auftritt, sagt alles über Oberdorfs außergewöhnliche Qualität als Schlüsselspielerin aus. »Das Zentrum war brutal offen«, bilanzierte auch Popp mit Blick auf die erste Halbzeit gegen die robusten und clever pressenden Schwedinnen, die nach WMPlatz drei 2019 in diesem Jahr ebenfalls um den Titel mitspielen wollen.
Der Austausch mit Edelfan und EqualPay-Verfechter Olaf Scholz war so am Ende vielleicht das Positivste an diesem Fußballabend. »Ich bleibe am Ball, und das werde ich kontinuierlich weitermachen«, versprach der Bundeskanzler hinsichtlich gleicher Turnierprämien für Männer und Frauen durch den Deutschen Fußball-Bund (DFB).
Die WM-Vorbereitung der DFB-Frauen geht rund um Ostern weiter, für die Nationalspielerinnen stehen bis dahin wichtige Aufgaben mit den Vereinen in Liga, DFB-Pokal und Champions League an. Für den kommenden Lehrgang hat Voss-Tecklenburg auf jeden Fall »viele Bilder« zum Videostudium im Gepäck. Gegen wen als Nächstes getestet wird, ist noch offen. Im Raum stehen hochkarätige Länderspiele gegen die Vizeweltmeisterinnen aus den Niederlanden, die am Dienstag mit 4:0 gegen Österreich gewannen und Titelkandidat Brasilien. Im Sommer beginnt dann die Titeljagd mit den Gruppenspielen gegen Marokko, Kolumbien und Südkorea.