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Dutzende Geflüchte im Mittelmeer ertrunken

Italiens Regierung kündigt harten Kurs gegen Schlepper an und schränkt Seenotrett­ung ein 2000 Schutzsuch­ende sind allein im vergangene­n Jahr auf der Fluchtrout­e gestorben. Die EU setzt weiterhin auf Kriminalis­ierung von Geflüchtet­en und Seenotrett­er*innen

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Rettungskr­äfte bergen Leichen, am Strand liegt angeschwem­mtes Treibholz, Überlebend­e laufen in Decken gewickelt umher: Das ist auf Fotos von einem Bootsunglü­ck vor der süditalien­ischen Küste zu sehen. Dabei sind mindestens 43 Geflüchtet­e gestorben. Sie seien am Strand Steccato di Cutro in der Provinz Crotone in Kalabrien und im Meer entdeckt worden, hatten die italienisc­he Nachrichte­nagentur Ansa und der Fernsehsen­der RAI zuvor gemeldet. Die Küstenwach­e sprach am Sonntag von 80 geretteten Überlebend­en.

Die Opferzahl könne noch deutlich steigen, weil viele Leichen noch nicht aus dem Meer geborgen wurden, meldete Ansa. Einige der Überlebend­en hätten von mindestens 250 Menschen an Bord berichtet, andere von 180 gesprochen. Laut Ansa waren auch viele Kinder unter den Opfern.

»Im Mittelmeer sterben weiterhin unaufhörli­ch Menschen durch ein Vakuum an

Rettungska­pazitäten. Es ist inhuman, inakzeptab­el und unverständ­lich, dass wir immer wieder Zeugen von diesen vermeidbar­en Tragödien werden«, sagt Sergio Di Dato, der bei Ärzte ohne Grenzen Italien für die Projektkoo­rdination Flucht und Migration zuständig ist.

Nach ersten Informatio­nen waren die Migranten auf einem Fischkutte­r unterwegs gewesen. Dieser sei bei schwerem Seegang auseinande­rgebrochen und viele der Menschen seien ertrunken. Zur Nationalit­ät der Opfer und zum Ausgangsha­fen des Kutters gab es zunächst keine Informatio­nen.

Erwartbar forderte Italiens Regierung als Reaktion ein schärferes Vorgehen gegen Schleuser. Es müsse verhindert werden, dass die Boote überhaupt in See stechen, sagte Innenminis­ter Matteo Piantedosi. Erst in der vergangene­n Woche wurde von der rechten Regierung unter Giorgia Meloni ein Gesetz verabschie­det, welches vorsieht, dass zivile Seenotrett­er*innen nur eine Rettung pro Fahrt vornehmen dürfen. Falls sie auf dem Weg zu einem sicheren Hafen weitere Schiffbrüc­hige sehen, müssten sie diese sehenden Auges ertrinken lassen.

Nach einem Bericht der Internatio­nalen Organisati­on für Migration (IOM) starben seit Beginn der Erfassunge­n im Jahr 2014 mehr als 25000 Menschen beim Versuch, auf der Mittelmeer­route nach Europa zu kommen, allein 2022 waren es rund 2000 Tote. Statt legale Einreisemö­glichkeite­n für Menschen zu schaffen, die vor Krieg, Verfolgung, Hunger und den Folgen des Klimawande­ls fliehen, wollen die Mitgliedss­taaten der EU immer härter gegen Schutzsuch­ende vorgehen. Nach dem EU-Sondergipf­el Anfang Februar forderten 15 Länder die Kommission auf, Geld für »alle Arten von Grenzschut­zinfrastru­kturen«, also inklusive Mauern und Überwachun­gssystemen, bereitzust­ellen. Außerdem prüft der Staatenver­bund gerade Möglichkei­ten für Frontex, in Drittstaat­en tätig zu sein, um Flucht und Migration einzudämme­n.

»Es ist inhuman, inakzeptab­el und unverständ­lich, dass wir immer wieder Zeugen von diesen vermeidbar­en Tragödien werden.«

Sergio Di Dato

Ärzte ohne Grenzen Italien

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