Zusammen gegen den Aggressor
Demonstration am Freitag fordert vollständige Freiheit für die Ukraine. Berliner Linke setzt Zeichen vor russischer Botschaft
Wie kann eine klare Benennung des Aggressors und ein Recht auf Verteidigung stattfinden, ohne in Kriegsbegeisterung und Nationalismus abzurutschen? Darauf fand auch die Demo »Full Scale Freedom« keine Antwort.
Das Wochenende in Berlin stand ganz im Zeichen des ersten Jahrestags des völkerrechtswidrigen Angriffs Russlands auf die Ukraine. Allein für Freitag, den 24. Februar, waren im Land Berlin 16 Versammlungen mit Bezug zu Russland und der Ukraine angemeldet.
Besonders kämpferisch zeigte sich die Demonstration unter dem Motto »Full Scale Freedom« (Vollständige Freiheit). Organisiert wurde sie von dem Verein Vitsche, der von jungen Ukrainer*innen geführt wird, und dem Zentrum Liberale Moderne, einem Thinktank, der sich für die Werte liberaler Demokratien stark macht. Die Hauptforderungen der Veranstalter*innen waren mehr internationale Unterstützung, ein vollständiger Abzug der russischen Truppen und Rechenschaft für die begangenen Verbrechen: »Die Ukraine
und ihre Bevölkerung brauchen mehr internationale Unterstützung im Kampf gegen die russische Aggression. Russland muss für seinen verbrecherischen Krieg (...) zur Rechenschaft gezogen werden. Wir wollen die internationale Gemeinschaft an Russlands anhaltende Verletzungen des Völkerrechts, seinen Terror gegen ukrainische Zivilisten sowie die Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen erinnern«, hieß es seitens der Veranstalter.
Solidarität mit der Ukraine
Der Demonstrationszug startete am »Café Kyiv«, dem kurzzeitig umgewidmeten Café Moskau auf der Karl-Marx-Allee, und führte über die russische Botschaft bis zum Brandenburger Tor. Etwa 10 000 Menschen nahmen teil, ein Großteil davon Ukrainer*innen. Die ukrainische Flagge war allgegenwärtig, ebenso der Ruf »Sláva Ukrayíni«, Ruhm der Ukraine, der jeden Redebeitrag abschloss und von der Menge mit einem lauten »Heróiam sláva«, Ruhm den Helden, erwidert wurde.
Die Redner*innen aus der ukrainischen und deutschen Zivilgesellschaft benannten
Russland als Terrorstaat und riefen zur Solidarität und Unterstützung, auch durch weitere Waffenlieferungen, auf. Einen ersten emotionalen Höhepunkt erreichte die Stimmung bei der Zwischenkundgebung vor der russischen Botschaft. Dort steht seit Freitag ein zerstörter russischer Panzer, dessen Antransport unter anderem von dem Unternehmer und Journalisten Enno Lenze organisiert wurde.
Gratwanderung bei Waffenlieferungen
Der Berliner Stylist und Queer-Aktivist Frank Peter Wilde, der für seinen Instagram-Kanal mit klarer Positionierung in Solidarität mit den Ukrainer*innen gefeiert wird, wies in seinem Redebeitrag darauf hin, dass die homophobe Gesetzgebung Putins schon seit 2013 den Weg Richtung Faschismus aufgezeigt habe.
Am Brandenburger Tor, das ganz in BlauGelb erstrahlte, fand dann die Abschlusskundgebung statt. Redebeiträge gab es unter anderem von der Regierenden Bürgermeisterin Berlins, Franziska Giffey (SPD), die darauf hinwies, dass rund 66000 Ukrainer*innen in Berlin ein Zuhause gefunden haben. Der Botschafter der Ukraine, Oleksij Makejew, bedankte sich für die Waffenlieferungen mit den Worten: »Deutsche Waffen retten Leben«, im Anschluss wurde die ukrainische Nationalhymne angestimmt. Auch der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter kam zu Wort, wurde dann aber von einer aufgezeichneten Videobotschaft des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj unterbrochen.
Über große Teile der Veranstaltung standen die Forderungen der ukrainischen Gemeinschaft in Deutschland sowie die Solidarität mit dieser im Vordergrund. Die Beiträge der deutschen Politiker*innen wirkten dazwischen durchaus fehl am Platz. Eine klare Antwort auf die Frage, wie eine eindeutige Benennung des Aggressors und des Rechts auf Verteidigung stattfinden kann, ohne in Kriegsbegeisterung und Nationalismus abzurutschen, wurde aber nicht gefunden. Es bleibt eine Gratwanderung.
Am 25. und 26. Februar fanden weitere Veranstaltungen zum Jahrestag des russischen Angriffs statt. An der Vielzahl der Veranstaltungen zeigt sich bereits, wie unterschiedlich die Positionen in der Gesellschaft sind: Von einer Veranstaltung, die in ihrer Namensgebung direkt Putins Narrativ einer »Militäroperation« übernimmt, statt den Angriffskrieg beim Namen zu nennen, über eine Meditation für den Frieden, die von von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer initiierte Kundgebung am Samstag bis hin zu der Großdemonstration, organisiert von der ukrainischen Exil-Gemeinschaft. Für die Kundgebung wurde massiv in rechten Kreisen mobilisiert, von denen sich die Veranstalterinnen nicht explizit abgrenzten. Die Spitze der Linkspartei hatte sich deswegen im Vorfeld von der Kundgebung distanziert.
Zeichen vor der russischen Botschaft
Der Berliner Landesverband setzte ein Gegenzeichen, indem am Freitag bei strömendem Regen eine kleine Mahnwache vor der russischen Botschaft abgehalten wurde. Dabei wurde auch klar gemacht, an wen sich die Forderung, die Waffen schweigen zu lassen, zuallererst richtet: »Wir fordern einen Stopp des russischen Angriffskriegs, den Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine, einen Waffenstillstand sowie diplomatische Initiativen für einen dauerhaften Frieden«, hieß es dazu vom Landesverband.