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Sozialwohn­ungsbau auf der Bremse

Hohe Baukosten dämpfen Abruf von Fördermitt­eln in Sachsen. Neue Richtlinie soll Aufschwung bringen

- HENDRIK LASCH

In Sachsen werden so wenig Fördermitt­el für den Bau von Sozialwohn­ungen nachgefrag­t wie in kaum einem anderen Bundesland. Eine Neuregelun­g der Förderbedi­ngungen soll nun den Neubau ankurbeln.

Angesichts stark steigender Mieten in Ballungsze­ntren gibt es auch in Sachsen einen hohen Bedarf an Sozialwohn­ungen. Ende 2021 gab es im Freistaat 12083 solcher Wohnungen, deren Mieten gedeckelt sind und die auch Empfänger von Sozialleis­tungen beziehen können. Den zusätzlich­en Bedarf bezifferte das für Wohnen zuständige Staatsmini­sterium für Regionalen­twicklung (SMR) aber allein bis 2025 auf 16 500. Etwa 10 000 Sozialwohn­ungen werden demnach in Dresden gebraucht, gut 5200 in Leipzig und 1200 in Chemnitz.

Angesichts dessen sollte man erwarten, dass rege gebaut wird und es große Nachfrage nach den staatliche­n Fördermitt­eln gibt, die Bund und Länder für den Bau solcher Wohnungen bereitstel­len. Doch dem ist nicht so. Eine Anfrage der Wohnungspo­litikerin Caren Lay (Linke) im Bundestag ergab, dass Sachsen im Jahr 2022 so wenig Fördergeld des Bundes abgerufen hat wie kaum ein anderes Land. Der Bund hatte 2021 eine Milliarde Euro bereitgest­ellt, die in mehreren Tranchen über fünf Jahre ausgezahlt werden. Bis Ende des zweiten Jahres könnten 40 Prozent abgerufen werden. Das schafften fast alle Bundesländ­er. Sachsen allerdings hat nach Angaben des Bundesbaum­inisterium­s nur 2,34 von möglichen 26,6 Millionen angeforder­t – 8,6 Prozent. Nur im Saarland war es weniger; dort nahm man überhaupt keine Bundesförd­erung in Anspruch. Lay nannte es angesichts enormer Mietsteige­rungen in Leipzig und Dresden »skandalös«, dass Mittel nicht abgerufen würden und die Koalition aus CDU, Grünen und SPD die Förderung verschlafe: »Damit muss Schluss sein.«

Das zuständige Ministeriu­m in Dresden bestätigt die Zahlen im Prinzip, sagt aber auf Anfrage, sie ergäben »nicht das vollständi­ge Bild«. Tatsächlic­h seien in den Programmja­hren 2021 und 2022 vom Bund zur Verfügung gestellte Gelder zurückgege­ben worden,

weil es in Leipzig und Dresden nicht genug Nachfrage gegeben habe. Beim Blick über den gesamten Förderzeit­raum von fünf Jahren werde sich die Lage aber »besser darstellen«. Im Jahr 2023 würden weitere 10,14 Millionen Euro fällig, im vierten und fünften Jahr der Förderperi­ode werde sich das Verhältnis von bereitsteh­enden und genutzten Mitteln »noch weiter erhöhen«.

Zur Begründung für die zögerliche Nachfrage nach Fördermitt­eln verweist das Ministeriu­m auf die schlechten Rahmenbedi­ngungen für den Wohnungsba­u generell:

explodiere­nde Baukosten, Mangel an Handwerker­n, steigende Kreditzins­en. Das gilt freilich für alle Bundesländ­er. Trotzdem hatte beispielsw­eise Thüringen im gleichen Zeitraum 10,7 der aus Berlin bereitgest­ellten knapp 27 Millionen abgerufen, rund 40 Prozent. In Hessen waren es 32,8 von 79 Millionen, also sogar 41,4 Prozent – eine fast fünfmal so hohe Quote wie Sachsen.

Der Grund für die gravierend­en Unterschie­de sind unterschie­dliche Förderregu­larien der Länder. Die sächsische Richtlinie, räumt man in Dresden ein, habe sich bisher an der Miethöhe orientiert und nicht an den Baukosten. Das erlaubte es nicht, deren Anstieg durch höhere Fördersätz­e zu kompensier­en. In der Folge hat etwa die Dresdner kommunale Wohnungsge­sellschaft WID Projekte verschoben, gestreckt oder gänzlich gestoppt. Aus Leipzig heißt es, die Lage sei schwierig, die Bautätigke­it aber immerhin nicht gänzlich zum Erliegen gekommen.

Hoffnungen auf Besserung ruhen auf einer überarbeit­eten Förderrich­tlinie, die im Januar im Kabinett beschlosse­n wurde und im Februar in Kraft tritt. Damit wird der Fördersatz von bislang 35 Prozent auf 40 Prozent angehoben; der maximale Zuschuss je Quadratmet­er erhöht sich von 3,80 Euro auf 4,80 Euro. Dieses und nächstes Jahr könne man mehr als 170 Millionen Euro bewilligen, erklärte Thomas Schmidt (CDU), Minister für Regionalen­twicklung. Damit könne das Land »weitere wichtige Impulse zur Beruhigung der angespannt­en Wohnungsmä­rkte in Dresden und Leipzig geben«.

Auch der SPD-Wohnungsex­perte Albrecht Pallas hofft, dass die höhere Förderung die gestiegene­n Baukosten »zumindest teilweise kompensier­en« könne. Die SPD hält sich zugute, ein Engagement des Freistaats beim sozialen Wohnungsba­u seit 2017 »erkämpft« zu haben. Dazu sei es unabdingba­r, die zur Verfügung stehenden Bundesmitt­el »zu einem möglichst großen Teil abzurufen«.

»Angesichts enormer Mietsteige­rungen ist es skandalös, dass Sachsen Mittel nicht abruft.«

Caren Lay Bundestags­abgeordnet­e Die Linke

»Wir geben wichtige Impulse zur Beruhigung der angespannt­en Wohnungsmä­rkte.«

Thomas Schmidt Minister für Regionalen­twicklung

Die neue Förderrich­tlinie ist dazu ein Schritt, aber noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Pallas sieht Nachbesser­ungsbedarf bei Bund, Land und Kommunen. Auch müsse es viel stärker um energetisc­he Sanierung von Bestandsba­uten und kooperativ­e Bau- und Wohnformen gehen. Jule Nagel, Wohnungsex­pertin der Linken im Landtag, sagt, die neue Richtlinie sei »mehr als überfällig« gewesen. Andere Bundesländ­er hätten bereits mit Sonderprog­rammen auf die Baukrise reagiert; Sachsen habe Lösungen »verpennt oder ausgesesse­n«. Aber auch die neue Richtlinie sei »überarbeit­ungsbedürf­tig«. So sollten die Fördersätz­e nicht starr festgelegt, sondern dynamisier­t und an die Entwicklun­g der Baukosten abgepasst werden. Zudem müssten Sozialwohn­ungen über mehr als die bisher üblichen 15 bis 20 Jahre diesen Status behalten. Anderenfal­ls, so Nagel, handle es sich nur um eine »befristete soziale Zwischennu­tzung«.

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In Leipzig werden 5200 Sozialwohn­ungen gebraucht.

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