nd.DerTag

Ein menschlich­er Totalschad­en

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Christof Ruf zieht Rückschlüs­se aus Markus Söders Pointen beim Politische­n Aschermitt­woch.

Den Charakter eines Menschen erkennt man vielleicht am besten an seinem Humor – es gibt allerdings auch andere Indikatore­n. Bei Markus Söder habe ich noch keinen gefunden, der darauf hindeuten würde, dass dieser Mann etwas anderes sein könnte als ein Unsympath mit schwierige­m Charakter. Wer’s nicht glaubt, soll nach Nürnberg, in seine Heimatstad­t reisen. Es gibt dort sogar CSU-Mitglieder, die die Straßensei­te wechseln, wenn sie ihn sehen.

Nun also der Politische Aschermitt­woch, eine Veranstalt­ung, die Nicht-Bajuwaren als Beleg dafür gilt, dass sie im Süden der Republik vielleicht ein paar hübsche Berge herumstehe­n haben, es aber immer dann schwierig wird, wenn die dortigen Menschen ins Spiel kommen. So viel zum Klischee. Und nun zu dem Mann, der noch nie ein Problem damit hatte, all das zu verkörpern, was Nordlichte­r an Bayern unsympathi­sch finden könnten. Dabei ist Söder ein protestant­ischer Franke – und der einzige mir bekannte Franke, der zu übertriebe­ner Lautstärke und Großmäulig­keit neigt. Die Region kann also nichts dafür, dass Söder so ist, wie er ist. Er ist von ganz alleine so geworden.

Aufschluss­reich ist, dass Söder schon als Kind ein Poster von Franz Josef Strauß im Kinderzimm­er hängen hatte. Strauß nannte die Folter im faschistis­chen Chile unter Pinochet »unfeine Behandlung« und war überhaupt die Ikone all derer, die wie er fanden, dass es rechts von der Union keine andere Partei brauche. Sich als 16-Jähriger ein Poster vom dicken alten Ministerpr­äsidenten übers Bett zu hängen – darauf muss man erstmal kommen. Man darf davon ausgehen, dass Söder jahrelang vorm Spiegel dessen Posen und Pointen geübt hat – in Passau wirkte er Jahrzehnte später dennoch nur wie eine bemühte Kopie des authentisc­h-krachleder­nen Originals. Wie einer, der kein großes schauspiel­erisches Talent hat, aber fleißig seine Rolle geprobt hat. Söders Voraussetz­ungen zur StraußKopi­e sind dabei hervorrage­nd. Aber die Bereitscha­ft, jede noch so billige Pointe zu setzen, wenn man davon ausgehen kann, dass sie ein paar schlichte Gemüter erheitert, die war bei Söder stets karrierefö­rdernd. Genau wie die Eigenschaf­t, für die er schon immer stand: grenzenlos­en Narzissmus. In Passau nachweisba­r in jeder einzelnen Geste. Der kaum kaschierte­n Ungeduld, wenn der Applaus ein paar Sekundenbr­uchteile zu lang ausblieb, weil die absichtsvo­ll gesetzte

Pointe halt selbst hier nicht zündete. Der bräsigen Selbstgefä­lligkeit, wenn er pünktlich vom braven Fußvolk geliefert wurde. Und das kam in Passau auf seine Kosten.

»Worrrrran errrgennt man einen Grrrrrünen?«, fragte Söder. Und verneigt sich wirklich tief vor dem, was Konservati­ve schon in den 80ern für lustig hielten. »An der Körperpfle­ge«. Kunstpause. Auflösung. Höhöhö, war ja ganz anders gemeint. Nicht »Die Ökos stinken«, wie man früher noch gesagt hat. Nein, sondern so: Grünen-Ministerpr­äsident Kretschman­n habe ihm mal bei einem Zusammentr­effen unter vier Augen erklärt, wie er sich mit einem Waschlappe­n wasche, »überall«. Und das, so Söder mit gespieltem Entsetzen, sei eine schrecklic­he Vorstellun­g. »Ich bete jede Nacht, diese Bilder aus dem Kopf zu bekommen.«

Sollte das Gespräch wirklich unter vier Augen so stattgefun­den haben, sagt das wiederum einiges über Söder aus. Es gibt eben Menschen, die ein Gefühl für Vertraulic­hkeit haben. Andere würden ihren besten Freund verraten, wenn es dafür irgendwo Applaus gäbe. Wer so ist wie Söder, kann allerdings unmöglich Freunde haben. Vielleicht erklärt das die Sucht nach Menschenma­ssen und der Meinungsum­frage als Lebenselix­ier.

Ich kann mich allerdings an einige Interviews mit Söder erinnern, nach deren Lektüre ich den Eindruck hatte, dass der Mann zumindest kein Intelligen­zproblem hat, auch wenn er in so ziemlich allen Punkten das Gegenteil meiner Meinung vertritt. Wahrschein­lich ist das das eigentlich Schlimme an ihm: Wäre der Mann nicht so ein menschlich­er Totalschad­en, es hätte glatt ein ernsthafte­r Politiker aus ihm werden können.

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FOTO: PRIVAT Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet hier politische und sportliche Begebenhei­ten.

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