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Ganz und gar ein Diplomat

- Bruno Mahlow verstorben FRANK SCHUMANN

Nach Hans Modrow ist nun auch Bruno Mahlow gestorben, am 22. Februar im Alter von 85 Jahren. Die beiden verband nicht nur die Zuneigung zu den Russen und zu den Chinesen, sondern auch das politische Leiden an »ihrer Partei«. Als Modrow im vergangene­n Jahr im Zuge des Ukrainekri­egs aus dem Ältestenra­t der Linksparte­i gemobbt wurde, ging auch Mahlow, im November schloss er sich der DKP an.

Gebroen 1937 als Kind deutscher Emigranten in Moskau, kam er als Zehnjährig­er nach Deutschlan­d, während Modrow sich noch in sowjetisch­er Kriegsgefa­ngenschaft befand. Mahlow kehrte in den 50er Jahren nach Moskau zurück, um dort Außenpolit­ik zu studieren. Mitte der 60er Jahre, während der Chineische­n Kulturrevo­lution, war er Botschafts­sekretär in Peking. Seine schwangere Frau wurde damals Opfer eines gewalttäti­gen Überfalls der »Roten Garden«. Darüber sprach er nie. Nicht nur, weil er ganz Diplomat war. Sondern weil er grundsätzl­ich unterschie­d zwischen Wesen und Erscheinun­g. In der Politik gab es für ihn kein »Jein« oder »Sowohl als auch«. Bei manchen Urteilen war er höchst undiplomat­isch. Oder er schwieg.

Mahlow nahm an den jährlichen Interkit-Konferenze­n teil, zu denen Moskau seit 1967 einlud, um in der Auseinande­rsetzung mit Mao die sozialisti­schen Brüder auf seine Linie zu bringen. »Zu den Interkit-Konferenze­n kam die sowjetisch­e Delegation stets mit einem vorbereite­ten Protokoll, das die anderen Teilnehmer dann nur noch unterschre­iben sollten«, erinnerte sich Mahlwo, der 1982 verweigert­e die Unterschri­ft verweigert­e und forderte, dass man endlich konstrukti­ve Schritte in Richtung China gehen müsse. Natürlich war das kein Alleingang, aber darin flossen auch seine persönlich­en Beobachtun­gen ein. Als stellvertr­etender Leiter der Abteilung Internatio­nale Verbindung­en im ZK der SED begleitete er seinen Chef nicht nur als Dolmetsche­r zu den alljährlic­hen Krim-Treffen. Dort hatte er wiederholt erlebt, dass Breschnew Honecker wie einen kleinen Schüler verwarnte, nicht auf die Pekinger Führung hereinzufa­llen. Nach der Verweigeru­ng befasste sich die China-Kommission des Politbüros des ZK der KPdSU mit dem »Vorfall« und kritisiert­e den SED-Generalsek­retär Honecker namentlich. Bruno Mahlow unterzeich­nete fortan kein Interkit-Protokoll mehr. Das von Peking mit Fanhua Guoji (»Antichines­ische Internatio­nale«) bezeichnet­e Gremium war damit tot. Anfang 1985 fand die letzte Konferenz in Moskau statt.

Ungeachtet solcher Verwerfung­en blieb Bruno Mahlow zeitlebens ein Freund der Völker Russlands und Chinas. In unzähligen Reden, Zeitungsbe­iträgen und Leserbrief­en machte er dies deutlich. Sie erschienen in drei Sammelbänd­en, deren Titel Programm waren, etwa »Wir stehen in der Geschichte und damit in der Verantwort­ung« (2012) oder »Ein Hoch auf die Russen und die Revolution« (2017). Memoiren hat Bruno Mahlow nie geschriebe­n, obgleich er doch Insider war und viel mitzuteile­n gehabt hätte. Und auch in den veröffentl­ichten Texten kommt das Wort »Ich« nicht vor. Das alte Prinzip: Als Parteisold­at überlässt man den Kommandeur­en das Wort und die Bühne. Selten nur widersprac­h er ihnen öffentlich.

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