nd.DerTag

Die Heimatfron­t bröckelt

- Christian Klemm erkennt eine Kampagne gegen Friedensbe­wegte

Die Debatte um den »Aufstand für Frieden« nimmt absurde Züge an: Wenn zehntausen­de Menschen am Wochenende in Berlin Verhandlun­gen mit Moskau einfordern, um das durch Russland zu verantwort­ende Blutvergie­ßen in der Ukraine zu stoppen, dann werden sie prompt als 5. Kolonne Moskaus diskrediti­ert. Oder ihnen wird unterstell­t, gemeinsame Sache mit Nazis zu machen. Oder beides. Die Linke-Politikeri­n Sahra Wagenknech­t, neben der Feministin Alice Schwarzer Mitinitiat­orin der Kundgebung am Brandenbur­ger Tor, gilt inzwischen sogar als Feindin der Demokratie. Da ist die Forderung nach einer Beobachtun­g durch den Verfassung­sschutz nicht weit.

In Wirklichke­it geht es vielen Kritikern nicht um Wagenknech­t, Schwarzer oder sonst jemanden, der am Samstag ein Plakat mit Friedensta­ube in die Höhe gereckt hat. Es geht ihnen vor allem um die Deutungsho­heit über das, was sich in der Ukraine abspielt. Seit geraumer Zeit malen die Regierende­n das russische Schreckges­penst an die Wand, das auch über die Oder zu uns durchbrech­en könnte. Stichwort: »Zeitenwend­e«. Seit einem Jahr ist klar, dass Wladmir Putin ein Kriegstrei­ber ist, der über Leichen geht. Dass er aber eine Gefahr für das deutsche Staatsgebi­et sein könnte, ist Unsinn.

Doch die Heimatfron­t bröckelt: 63 Prozent der Deutschen sprechen sich dafür aus, dass sich die Bundesregi­erung stärker für Gespräche zwischen Russland und der Ukraine einsetzt. Das von Wagenknech­t und Schwarzer initiierte »Manifest für Frieden«, das ebenfalls für Verhandlun­gen plädiert, wurde fast 700 000 Mal unterzeich­net. Dies schmeckt den politisch Verantwort­lichen und ihren Sympathisa­nten nicht. Deshalb setzen sie auf eine Kampagne gegen Friedensbe­wegte.

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