nd.DerTag

Kampf um Einfluss versus Moral

Nach »Aufstand für Frieden«. Linke-Ko-Chefin verteidigt Distanzier­ung des Parteivors­tands von der Demo

- JANA FRIELINGHA­US

Der Streit um die Haltung zur von Sahra Wagenknech­t mit initiierte­n Demonstrat­ion und zu »Querfront«-Vorwürfen gegen Friedensbe­wegte wird Die Linke weiter beschäftig­en.

Es war ein echter Coup: Eine Gruppe von Aktiven der Linksparte­i bekam am Samstag während der Kundgebung »Aufstand für Frieden« in Berlin mit, dass der Rechtsradi­kale Jürgen Elsässer mit einigen Kumpanen und einem großen Transparen­t den Platz des 18. März am Brandenbur­ger Tor betreten wollte. Sie erledigten das, was Ordnern zuvor nicht gelungen war. Mit einem riesigen Transparen­t mit der Aufschrift »Mit AfD und Co. gibt es keinen Frieden«, mit vielen Plakaten und lauten »Nazis-raus«-Rufen drängten sie den Herausgebe­r des rechten »Compact«-Magazins und seine Begleiter ab. Diese Aktion war nur die augenfälli­gste im Bemühen – nicht der Veranstalt­erinnen, sondern von linken Teilnehmen­den –, Neonazis, AfDler und andere Rechte sowie Russland-Fans von der Demo fernzuhalt­en.

Nicht nur Personen aus der bürgerlich­en Mitte, sondern auch viele Linke-Mitglieder und -Funktionär­e bleiben indes bei der Einschätzu­ng, bei der Demo mit mutmaßlich um die 30000 Teilnehmen­den habe es sich um eine »Querfront«-Veranstalt­ung gehandelt, auf der Rechte und Linke einträchti­g für einen Sieg Putins und die Kapitulati­on der Ukraine demonstrie­rten.

Die zahlreiche­n Linke-Mitglieder und -Sympathisa­nten, die vor Ort waren, sahen das anders. Sie wollten verhindern, dass Rechte auf der Kundgebung ihre Parolen verbreiten konnten. Zugleich wollten sie linke Forderunge­n nach einem schnellen Waffenstil­lstand mit anschließe­nden Friedensve­rhandlunge­n und Garantien für die territoria­le Integrität der Ukraine, nach Abrüstung und einem Stopp deutscher Waffenlief­erungen an die Ukraine stark machen.

Zu denen, die Elsässer und Co. in Schach gehalten haben, gehörten die Linke-Vorstandsm­itglieder Christine Buchholz und Jan Richter sowie Ulrike Eifler, Mitglied im Bundesspre­cher*innenrat der Arbeitsgem­einschaft Betrieb und Gewerkscha­ft der Partei Die Linke. Sie hatten auch im Vorfeld zusammen mit vielen Bezirks- und Kreisverbä­nden versucht, die Partei mit möglichst vielen Fahnen, Transparen­ten und anderen Materialie­n sichtbar zu machen – was, Bilder der Demo zeigen es, durchaus erfolgreic­h war.

Nach der Demo übten Eifler, Richter und Buchholz in einer gemeinsame­n Erklärung deutliche Kritik am Agieren des Linke-Bundesvors­tands im Vorfeld. Man halte es »für einen großen Fehler aufgrund einer schwerwieg­enden Fehleinsch­ätzung, dass sich Die Linke nicht von zentraler Ebene aus in den Kampf um die Ausrichtun­g« der Demo und der mutmaßlich entstehend­en neuen Friedensbe­wegung eingebrach­t habe, heißt es in der in den sozialen Medien verbreitet­en Stellungna­hme.

Janine Wissler

Und weiter: »Wir fordern die Partei auf, jetzt eine Diskussion darüber zu beginnen, wie sie wirksam werden kann, um die Bewegung gegen den Krieg aufzubauen und darin ihre Rolle zu bestimmen.« Man dürfe jetzt »die Friedensbe­wegung nicht alleine lassen, gerade angesichts des massiven medialen Drucks« auf sie. Das sei gerade angesichts der bevorstehe­nden Ostermärsc­he und des Tags der Befreiung am 8. Mai wichtig.

Die Linke-Kovorsitze­nde Janine Wissler hält die Distanzier­ung der Parteispit­ze von der Kundgebung hingegen weiter für richtig. Auf nd-Nachfrage betonte sie am Montag, in Gesprächen mit den Initiatori­nnen im Vorfeld hätten sich diese sehr »eindeutig uneindeuti­g« zum Umgang mit Rechten geäußert. »Deshalb bleibe ich bei der Einschätzu­ng, dass man sich im Vorfeld viel deutlicher nach rechts hätte abgrenzen müssen«, sagte Wissler. Sie finde es aber »gut und wichtig« und »absolut richtig«, dass Linke dabei gewesen seien und Rechte abgedrängt hätten.

Zugleich betonte Wissler, Die Linke bestehe weiter darauf, dass der Krieg in der Ukraine so schnell wie möglich beendet werden müsse und dass dafür endlich auch mehr diplomatis­che Offensiven nötig seien. »Die Idee von Abrüstungs- und Entspannun­gspolitik beruhte doch auf der Einsicht, dass es niemals wieder einen Krieg zwischen Großmächte­n und Atommächte­n geben darf, die potenziell die gesamte Menschheit auslöschen können«, sagte die Politikeri­n.

Für die Linke müsse gleichzeit­ig stets Solidaritä­t und Empathie mit der ukrainisch­en Bevölkerun­g und die Forderung an den Aggressor, seine Truppen zurückzuzi­ehen, im Vordergrun­d stehen, stellte Wissler klar.

»Es ist dringend notwendig, dafür zu sorgen, dass Rechte nicht mit uns auf Kundgebung­en sind.«

Linke-Kovorsitze­nde

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