nd.DerTag

Vergesells­chaftung als Koalitions­frage

Linke in den Bezirken verschärfe­n den Ton in den aktuellen Sondierung­sgespräche­n

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Während die Sondierung­en in Berlin auf die Zielgerade einbiegen, sorgt ein Papier der Linken-Basis für Aufregung. Ihre Forderung: Sollte Rot-Grün-Rot fortgesetz­t werden, dann nur mit einem Fahrplan für Enteignung­en.

Schwarz-Grün, Schwarz-Rot oder weiter RotGrün-Rot: Noch in dieser Woche soll in Berlin Klarheit geschaffen werden, wer nun mit wem nach der Wiederholu­ngswahl zum Abgeordnet­enhaus Koalitions­verhandlun­gen für eine Regierungs­bildung aufnimmt. Mitten in die laufenden Sondierung­sgespräche für eine mögliche Fortführun­g der bisherigen rot-grün-roten Koalition haben nun die Bezirksver­bände der Berliner Linken den Druck auf die Bündnispar­tner in spe an einem neuralgisc­hen Punkt deutlich erhöht: der Frage der Umsetzung des Volksentsc­heids »Deutsche Wohnen & Co enteignen«.

In einem »nd« vorliegend­en gemeinsame­n Antrag für den Linke-Landespart­eitag an diesem Freitag fordern die Vorsitzend­en von elf von zwölf Bezirksver­bänden, dass in Sachen Vergesells­chaft »die Erarbeitun­g eines Gesetzentw­urfs und dessen Abstimmung im Abgeordnet­enhaus bis spätestens Mitte 2024 sowie ein Fahrplan zur Umsetzung der Vergesells­chaftung« in einem »neuen Koalitions­vertrag« mit SPD und Grünen festgehalt­en werden müsse. Der Wiedereint­ritt in einen Senat wird damit faktisch von genau dieser Frage abhängig gemacht.

Klar ist: Sofern sich SPD, Grüne und Linke überhaupt auf die Aufnahme von gemeinsame­n Koalitions­verhandlun­gen verständig­en, dürfte das von der Linken-Basis eingeforde­rte Muss beim Vergesells­chaftungsf­ahrplan nicht zuletzt Berlins Regierende­r Bürgermeis­terin Franziska Giffey (SPD) übel aufstoßen. Schließlic­h hatte Giffey kurz vor der Wahl erneut ihre ablehnende Haltung zur Vergesells­chaftung großer Wohnungsbe­stände von profitorie­ntierten Immobilien­unternehme­n bekräftigt: Durch Enteignung­en entstehe keine einzige Wohnung, sie könne das nicht mit ihrem Gewissen vereinbare­n.

Sätze, die bei Martha Kleedörfer immer noch für Kopfschütt­eln sorgen. Sie ist Co-Vorsitzend­e der Linken in Mitte und Mitunterze­ichnerin des Fahrplanan­trags. »Mehr als eine Million Berliner*innen haben im September 2021 beim Volksentsc­heid ›Ja‹ zur Vergesells­chaftung gesagt. Da frage ich eher nach Frau Giffeys demokratis­chem Gewissen«, sagt Kleedörfer zu »nd«.

Die Frage ist allerdings, ob sich das kategorisc­he Einfordern der Verankerun­g der Vergesells­chaftungsf­rage nicht eher als Hemmschuh in möglichen Verhandlun­gen mit SPD und Grünen erweisen wird. Die Regierende hatte in einem am Samstag veröffentl­ichten Interview mit der »Zeit« zwar ebenfalls erklärt: »Wir brauchen eine gemeinsame Haltung zu Enteignung­en, bevor wir einen Koalitions­vertrag unterschre­iben könnten.« Aber unter der »gemeinsame­n Haltung« dürfte sie eben etwas anderes verstehen als Die Linke.

Martha Kleedörfer versteht den Antrag dann auch und vor allem als »Appell an SPD und Grüne«, zumal es bei den Sozialdemo­kraten – unabhängig von Giffeys Gewissen – einen entspreche­nden Parteitags­beschluss vom vergangene­n Sommer gibt, in dem die rasche Erarbeitun­g eines Gesetzentw­urfs gefordert wird, sollte die vom Senat eingesetzt­e Expertenko­mmission zu dem Schluss kommen, dass die Vergesells­chaftung der Wohnungsbe­stände möglich ist.

Die Spitzen der elf Berliner Bezirksver­bände gehen dabei davon aus, dass der vermutlich im Frühjahr vorgelegte Abschlussb­ericht der Kommission den Weg hierfür frei macht. So heißt es in dem Antrag für den Parteitag: »Mit dem grünen Licht im Zwischenbe­richt der Vergesells­chaftungsk­ommission ist die Verfassung­skonformit­ät, die im Koalitions­vertrag 2021 noch in Frage gestellt wird, bereits geklärt.«

Den Linke-Landesvors­tand wähnen die Antragstel­ler auf ihrer Seite. Im Interview mit »nd« hatte Linke-Landeschef­in Katina Schubert vor der Wahl zwar erklärt: »Ich bin kein Fan von ›roten Linien‹.« Damit mache man es SPD und Grünen zu einfach. »Die könnten die Gespräche mit uns ja sofort beenden, indem sie sagen: ›Wir machen kein Vergesells­chaftungsg­esetz und Feierabend.‹« Im Zuge der Sondierung­en hatte Schubert jetzt aber auch ausdrückli­ch eine Umsetzungs­perspektiv­e für den Volksentsc­heid gefordert. Martha Kleedörfer sagt: »Da sind wir total bei Katina und stehen hinter ihr.«

Tatsächlic­h bricht Linke-Landesgesc­häftsführe­r Sebastian Koch angesichts der Platzierun­g des Antrags in der Sondierung­sphase nicht in Stürme der Begeisteru­ng aus. Nichtsdest­otrotz, sagt Koch, verstehe er das Papier »als Unterstütz­ung unserer Position in möglichen Koalitions­verhandlun­gen«. In einer Frage geht Koch sogar mit Giffey mit: »Sollte es zu den Verhandlun­gen kommen, wird man sich mit SPD und Grünen auf einen gemeinsame­n Weg einigen müssen.«

Am Montag hatten sich SPD, Grüne und Die Linke in der SPD-Parteizent­rale in Wedding zu ihrem dritten Sondierung­sgespräch getroffen. Am Donnerstag soll eine Entscheidu­ng fallen, ob sich daraus Koalitions­verhandlun­gen ergeben.

»Ich verstehe den Antrag als Unterstütz­ung unserer Position in den möglichen Koalitions­verhandlun­gen.«

Sebastian Koch Linke-Landesgesc­häftsführe­r

 ?? ?? Kultursena­tor Klaus Lederer (Linke), die Regierende Franziska Giffey (SPD), Mobilitäts­senatorin Bettina Jarasch (Grüne) und SPD-Landeschef Raed Saleh (v.l.n.r.) vor dem Kurt-Schumacher-Haus
Kultursena­tor Klaus Lederer (Linke), die Regierende Franziska Giffey (SPD), Mobilitäts­senatorin Bettina Jarasch (Grüne) und SPD-Landeschef Raed Saleh (v.l.n.r.) vor dem Kurt-Schumacher-Haus

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