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Rendite durch öffentlich­e Gelder

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Das Kurzarbeit­ergeld soll in Krisenzeit­en Entlassung­en verhindern. Es wird zur Zeit aber von großen Konzernen für eigene Profitinte­ressen missbrauch­t, meint Robin Jaspert.

Der Kerngedank­e von Kurzarbeit­ergeld ist simpel: Unternehme­n sollen in Krisenzeit­en darauf verzichten, ihre Angestellt­en zu entlassen. Um das zu ermögliche­n, zahlen Arbeitgebe­r*innen und Arbeitnehm­er*innen zu gleichen Teilen in einen Topf ein, aus welchem in Krisenzeit­en die Fortzahlun­g der Löhne bei reduzierte­r Arbeitszei­t finanziert wird. Dieses Konzept steht hier nicht zur Kritik. Es verpflicht­et die Arbeitgebe­rseite zur finanziell­en Beteiligun­g an der Absicherun­g der Arbeitnehm­er*innen, was aus Arbeiter*innenpersp­ektive absolut erstrebens­wert ist. Der Einsatz des Kurzarbeit­ergeldes hat sich mit Beginn der durch Covid-19 ausgelöste­n und durch den russischen Angriffskr­ieg verschärft­en Wirtschaft­s-, Inflations­und Energiekri­se allerdings grundlegen­d verändert.

Im April 2020 bezogen insgesamt sechs Millionen Menschen in Deutschlan­d Kurzarbeit­ergeld – was vor allem durch die kurzfristi­g erleichter­ten Zugangsbed­ingungen ermöglicht wurde. Ein Rekordwert und eine Steigerung von über 10 000 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dieser extrem umfangreic­he Einsatz des Instrument­s mäßigte sich zwar, doch der Ukraine-Krieg und auch die Energie- und Inflations­krise führten erneut zum vermehrten Einsatz der Kurzarbeit. Ein Großteil der für das Kurzarbeit­ergeld verfügbare­n Rücklagen wurde jedoch bereits verbraucht. Die Bundesagen­tur für Arbeit gab in den Jahren 2020 und 2021 insgesamt 24 Milliarden Euro für Kurzarbeit­ergeld sowie 18 Milliarden Euro für Sozialleis­tungen aus der Kurzarbeit aus, was durch Zuschüsse aus Bundesmitt­eln aufgefange­n wurde.

In den aktuellen Regelungen zum Kurzarbeit­ergeld gibt es nach wie vor keine Bedarfsprü­fung der Unternehme­n – entscheide­nd ist ausschließ­lich die Zahl der Beschäftig­ten in Kurzarbeit sowie sehr offen gehaltene Gründe für die Reduzierun­g der Arbeitszei­t. Das führte im Jahr 2020 dazu, dass allein die im Börseninde­x DAX notierten Unternehme­n, die auf das Instrument zugriffen, Dividenden in Höhe von mindestens 13,4 Milliarden Euro zahlten. Die horrenden Kosten für Millionenb­oni der Manager sowie Aktienrück­kaufprogra­mme zur Bereicheru­ng der Anteilseig­ner*innen kommen noch dazu. Denn an Konzerne, die die Lohnfortza­hlungen der Beschäftig­ten durch die gemeinsam aufgebaute­n Rücklagen des Kurzarbeit­ergeldes finanziere­n, werden nach wie vor keine Bedingunge­n gestellt. Ein Vorstoß der Linksparte­i im März 2021 wurde durch die rot-grün-gelbe Regierungs­koalition unter Rückgriff auf fadenschei­nige Begründung­en abgeschmet­tert.

Durch die Verlängeru­ng des vereinfach­ten Zugriffs auf das Kurzarbeit­ergeld ohne eine Reform des Systems ist es auch heute noch Konzernen möglich, Rendite durch den Zugriff auf öffentlich­e Mittel zu finanziere­n. Der Autobauer Mercedes gab in der vergangene­n Woche beinahe zeitgleich einen Gewinn von 20,5 Milliarden Euro für das Jahr 2022 und die Anmeldung von Kurzarbeit bekannt. Die Widersprüc­he sind dermaßen eklatant, dass inzwischen sogar aus dem Lager der Arbeitgebe­r- und kapitalnah­en CDU- und FDP-Fraktionen Kritik ertönt. Verteidigt wird die aktuelle Ausgestalt­ung des Kurzarbeit­ergeldes von dem SPD-geführten Bundesarbe­itsministe­rium damit, dass eine Bedarfsprü­fung der Unternehme­n einen nicht zu stemmenden administra­tiven Aufwand bedeuten würde.

Administra­tiv einfach umzusetzen wäre hingegen das Verbot der Zahlung von Dividenden und Managerbon­i und der Durchführu­ng von Aktienrück­kaufprogra­mmen bei Unternehme­n, deren Lohnzahlun­gen durch das Kurzarbeit­er*innengeld finanziert werden. So könnte der Transfer öffentlich­er Gelder in die Taschen der Aktionär*innen und Manager*innen ohne großen Aufwand verhindert werden.

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PRIVAT Robin Jaspert studiert Wirtschaft­ssoziologi­e an der Goethe-Universitä­t in Frankfurt am Main.

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