Netanjahu nicht willkommen
Proteste gegen Besuch des israelischen Premiers in Deutschland
Berlin. Gegen den Besuch des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Berlin gab es am Mittwoch mehrere Protestdemonstrationen. Die größte Kundgebung war mit 1000 Teilnehmern um 15 Uhr am Brandenburger Tor angemeldet, wie die Polizei mitteilte. Zuvor gab es bereits am Vormittag eine Demonstration an der WillyBrandt-Straße im Regierungsviertel und am Mittag eine »Demonstration gegen die Besatzung durch die israelische Regierung« auf dem Platz der Republik am Reichstagsgebäude. Bereits vor Netanjahus Abflug hatte es am Mittwochmorgen Proteste am Flughafen Tel Aviv gegeben. Demonstranten störten mit ihren Autos den Verkehr auf zentralen Anfahrtsstraßen.
Die Proteste richten sich unter anderem gegen die von Netanjahus rechtsextrem-religiöser
Regierung geplante umstrittene Justizreform, gegen die seit Wochen in Israel Massen auf die Straßen gehen. Das Gesetzesvorhaben soll es dem israelischen Parlament ermöglichen, Entscheidungen des höchsten Gerichts aufzuheben. Kritiker sehen dadurch die Gewaltenteilung in Gefahr.
Der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main, Meron Mendel, hat die Wahl des Zeitpunkts für den Staatsbesuch von Regierungschef Benjamin Netanjahu in Deutschland scharf kritisiert. »Wenn ein israelischer Ministerpräsident die gemeinsamen demokratischen Werte abschaffen will, dann ist heute der denkbar schlechteste Zeitpunkt, ihn nach Berlin einzuladen«, sagte der deutsch-israelische Historiker Mendel am Mittwoch dem Bayerischen Rundfunk. Die Bundesregierung hätte dem Büro Netanjahu
bereits im Vorfeld klar sagen sollen, dass es zum aktuellen Zeitpunkt nicht denkbar sei, die israelische Regierung zu empfangen, denn die deutsch-israelische Freundschaft basiere auf gemeinsamen Werten.
Ursprünglich wollte Netanjahu am Freitagmorgen zurückfliegen, jetzt werde er bereits am Donnerstagabend abreisen, erklärte die israelische Botschaft in Berlin am Mittwoch auf Anfrage der Deutschen PresseAgentur. Ein Grund wurde nicht genannt. Nach israelischen Medienberichten soll eine Bombenexplosion am Montag im Norden Israels der Hintergrund sein. Am Donnerstag trifft Netanjahu Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Zuvor ist ein Besuch des Holocaust-Mahnmals Gleis 17 am Bahnhof Grunewald geplant.