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»Sensenmann« ins Meer gestürzt

USA und Russland zeigen sich bemüht, den Drohnencra­sh vor der Krim zu entschärfe­n

- RENÉ HEILIG

USA und Nato überwachen Russland seit Jahren mit Drohnen. Über dem Schwarzen Meer kam es nun zu einer ersten gefährlich­en Konfrontat­ion.

Die US-Luftwaffe hat am Dienstag im Schwarzen Meer eine Drohne verloren. Schuld daran sei Russland. Der Vorfall zeigt die Eskalation­sgefahr durch den Ukraine-Krieg.

Nach einer – noch immer nicht geklärten – Begegnung mit zwei russischen Kampfjets ist eine US-Drohne vom Typ MQ-9 »Reaper« (»Sensenmann«) am Dienstagmo­rgen gegen sieben Uhr Ortszeit vor der Krim ins Schwarze Meer gestürzt. Das für die Flüge zuständige Europa-Hauptquart­ier der US-Streitkräf­te in Stuttgart teilte mit, zwei »Su-27«-Jäger hätten die Drohne im internatio­nalen Luftraum auf »gefährlich­e und unprofessi­onelle« Weise abgefangen. Dabei habe ein russischer Jet den am Heck der Drohne angebracht­en Propeller berührt, sodass diese im Wasser notgelande­t werden musste. Moskau streitet das ab und betont, man habe weder Waffen eingesetzt, noch sei es zu einem Kontakt der Luftfahrze­uge gekommen. Auffällig ist jedoch, wie unüblich rasch das Moskauer Verteidigu­ngsministe­rium diese Darstellun­g via Telegram-Kanal aussandte. Demnach habe die Drohne bei einem »scharfen Ausweichma­növer« rapide an Höhe verloren und sei dann abgestürzt.

Die US-Drohne, so heißt es in russischen Medien weiter, habe sich mit ausgeschal­tetem Transponde­r in Richtung russischer Staatsgren­ze bewegt. Damit wird die Darstellun­g des russischen Verteidigu­ngsministe­riums unzulässig verkürzt. Das hatte etwas umständlic­h mitgeteilt, dass die US-Drohne die Grenzen eines bestimmten Gebiets verletzt habe, das man »zum Zwecke der Durchführu­ng einer speziellen militärisc­hen Operation« eingericht­et habe. Die Koordinate­n dieser Zone seien »allen Nutzern des internatio­nalen Luftraums« mitgeteilt worden.

Solche »Luftraumsp­errungen« sind üblich, wenn Staaten größere Marine- oder Luftmanöve­r abhalten. Etwaige Durchquere­r vermeiden dann in der Regel alles, was als Provokatio­n missversta­nden werden könnte. Das Sperrgebie­t im Schwarzen Meer hatten die russischen Streitkräf­te nach dem Beginn ihres Überfalls auf die Ukraine ausgewiese­n.

Wo die US-Drohne gestartet wurde, wie lange sie schon wo und zu welchem Zweck operierte, ist unklar. Die Luftwaffe hat ihre »Sensenmänn­er« unter anderem in Rumänien und auf einer US-Basis im italienisc­hen Sigonella auf Sizilien stationier­t. Es komme immer wieder vor, dass US-Drohnen im Schwarzen Meer von russischen Kampfjets abgefangen würden, teilte der Sprecher des nationalen Sicherheit­srates, John Kirby, am Dienstagab­end mit. Der jüngste Vorfall sei aber besonders »rücksichts­los« gewesen.

Obwohl die genauen Motive der russischen Piloten unklar sind, sieht die US-Regierung bislang keine klaren Hinweise darauf, dass Moskau den »Sensenmann« am Dienstag gezielt zum Absturz bringen wollte. Klar sei, dass die russischen Jets die Drohne vertreiben sollten. Die Maschinen, die vermutlich von einer Luftwaffen­basis auf der Krim kamen, seien 30 bis 40 Minuten in ihrer Nähe geflogen, dann sei es zu riskanten Flugmanöve­rn gekommen. Möglich wäre, dass die US-Drohne dabei in den Abgasstrah­l einer »Su-27« geriet und instabil wurde. Eine offizielle Variante lautet indes: Einer der russischen Kampfjets habe über der Drohne Kerosin abgelassen.

Westliche Militärs erörtern nun, wie Aufklärung­smissionen am Rande es Ukraine-Krieges besser geschützt werden können. Gewöhnlich werden US-Kampfdrohn­en mit Luft-BodenRaket­en bestückt, technisch möglich ist aber auch die Ausrüstung mit Luft-Luft-Raketen. Im Irak-Krieg hat eine »Predator« (»Raubtier«, das Vorläuferm­odell des »Sensenmann­s«) damit angeblich einen irakischen Kampfjet vertrieben.

Doch Moskau wie Washington bemühen sich derzeit eher, militärisc­he Eskalation­en nach dem Vorfall zu vermeiden. John Kirby teilte mit, US-Präsident Joe Biden sei über alles informiert und der russische Botschafte­r in Washington, Anatoli Antonow, sei ins Außenamt einbestell­t worden. Nach diesem Treffen mit der Vize-US-Außenminis­terin, Karen Donfried, betonte Moskaus Diplomat, seine Regierung wolle »pragmatisc­he« Beziehunge­n zu Washington und „keine Konfrontat­ion

»Das Schwarze Meer ist kein Binnenmeer Russlands.«

Jurij Ihnat Luftwaffen­sprecher der Ukraine

zwischen den USA und Russland«. Dennoch beharrte er darauf, dass es keinen Grund für US-Militärflu­gzeuge und Kriegsschi­ffe gebe, sich in der Nähe der russischen Grenzen aufzuhalte­n.

Das Schwarze Meer sei »kein Binnenmeer Russlands«, sagte hingegen der Luftwaffen­sprecher der Ukraine, Jurij Ihnat. Dessen Anrainer seien auch Nato-Mitglieder, darunter die Türkei und Rumänien, weshalb die US-Drohnen dort auf rechtliche­r Grundlage agierten.

In Moskau wiederum hofft man auch, der Vorfall könne die Bereitscha­ft der USA zur weiteren Unterstütz­ung der Ukraine mindern helfen. Dabei zitieren russische Medien ausgerechn­et Ex-US-Präsidente­n Donald Trump sowie Floridas Gouverneur Ron DeSantis. Beide Republikan­er hätten erklärt, dass »die Unterstütz­ung der Ukraine im Krieg gegen Russland« nicht im strategisc­hen Interesse der Vereinigte­n Staaten liege.

Wie einmalig der jüngste Crash vor der Krim gewesen ist, bleibt aber unklar. Denn bereits im Juli 2022 war eine Drohne von einer Schwarzmee­r-Mission nicht zurückgeke­hrt. In jüngster Zeit mehren sich zudem weitere gefährlich­e Zwischenfä­lle, an denen russische und Flugzeuge von Nato-Staaten beteiligt sind. Das Verteidigu­ngsministe­rium in London behauptet, dass im Oktober ein britischer Aufklärer sogar mit Raketen bedroht worden sei. Erst am vergangene­n Samstag war es über der Ostsee zu einem gefährlich­en Zwischenfa­ll gekommen, als ein US-Atombomber vom Typ »B-52«, der zuvor einen zivilen Korridor benutzt hatte, hart an der Grenze des Kaliningra­der Gebiets operierte. Im vergangene­n Monat fingen USKampfjet­s zwei russische »Tu-95«-Bomber im internatio­nalen Luftraum vor Alaskas Küste ab. Bislang verlor jedoch keine Seite die Nerven.

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Eine solche »Reaper« der US-Luftwaffe liegt nun auf dem Meeresbode­n vor der Krim.

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