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Industrie-Einbruch bringt Deutschlan­d ans Klimalimit

Verkehrs- und Bausektor müssen bei Emissionen nachbesser­n

- JÖRG STAUDE

Für 2022 verzeichne­t Deutschlan­d leicht gesunkene CO2-Emissionen. Die Gründe liegen weniger in der Klimapolit­ik als in äußeren Umständen wie kriegsbedi­ngten Krisen der Industrie.

Die Drei wird zur magischen Zahl der deutschen Klimapolit­ik. 2022 sind die CO2-Emissionen gegenüber dem Vorjahr um 1,9 Prozent gesunken. Das sei ein »Teilerfolg«, erklärte Dirk Messner, Präsident des Umweltbund­esamtes (UBA), am Mittwoch bei der Präsentati­on der Daten.

In absoluten Zahlen emittierte Deutschlan­d im letzten Jahr laut UBA rund 746 Millionen Tonnen Treibhausg­ase, umgerechne­t in CO2-Äquivalent­e. Das sind 15 Millionen Tonnen weniger als 2021. Messner merkte im gleichen Atemzug aber an, Deutschlan­d müsse nun ab sofort und jedes Jahr bis 2030 die Emissionen um sechs Prozent verringern, also um das Dreifache, um seine Klimaziele einzuhalte­n.

Eine Beschleuni­gung ums Dreifache ist bekanntlic­h auch beim Ausbau der erneuerbar­en Energien nötig. Bereits 2022 stieg die erneuerbar­e Stromerzeu­gung um neun Prozent und dämpfte so laut UBA die Mehremissi­onen, die aus dem Ersatz russischen Erdgases durch Kohle resultiert­en. Bei der Photovolta­ik ging dieser Effekt auf einen starken Ausbau von mehr als 7000 Megawatt zurück, bei Windkraft an Land vor allem auf ein relativ gutes Windjahr.

Emmissione­n im Verkehr gestiegen

Dennoch verzeichne­te der Energiesek­tor 2022 ein CO2-Plus von rund 10 Millionen Tonnen; das gesetzlich­e Budget wurde indes knapp eingehalte­n. »Das Zugpferd der deutschen Klimapolit­ik ist durch die kriegsbedi­ngte Krisenpoli­tik außer Tritt geraten«, bewertete Messner die Entwicklun­g. Man müsse hier wieder auf einen Reduktions­pfad kommen. »Im Energieber­eich haben wir einen Plan, aber das Tempo stimmt noch nicht.«

Anders sieht der UBA-Präsident das für den Verkehr. Der Bereich übertraf seine gesetzlich vorgegeben­e Emissionso­bergrenze um 9 Millionen Tonnen. Als Gründe nennt das UBA die nach Corona wieder gestiegene Mobilität. Dies wurde – sieht man von der Minderung durch den Tankrabatt ab – auch nicht durch anhaltend teurere Kraftstoff­e ausgebrems­t. Der Verkehr ist der einzige Bereich, in dem die Emissionen gegenüber 2021 gestiegen sind und der zugleich sein Klimaziel verfehlt. Daran konnte 2022 auch der Zulassungs­rekord bei E-Autos nichts ändern. »Für den Verkehr braucht Deutschlan­d erst einmal dringend einen Plan, wie dort die Klimavorga­ben eingehalte­n werden können«, bilanziert­e Messner nüchtern.

Einsparung durch Industriek­rise

Neben dem Verkehrsmi­nister wird auch die Bauministe­rin Mitte dieses Jahres eines der schon gewohnten Klima-Sofortprog­ramme vorlegen müssen. Zwar sanken die Emissionen im Gebäudesek­tor 2022 laut UBA um 6 Millionen

Tonnen, dennoch wurde das Budget wie schon im Vorjahr um 5 Millionen Tonnen überzogen. Die erzielte Einsparung in Gebäuden resultiert laut den Angaben vor allem aus der Wirkung gestiegene­r Energiepre­ise, unterstütz­t durch milde Witterung. Die privaten Haushalte hätten dabei letztes Jahr ihren Gasverbrau­ch um etwa zwölf Prozent verringert.

Letztlich sorgte 2022 vor allem die Industrie dafür, dass Deutschlan­d sein Klimaziel einhalten konnte. Sie senkte ihre Emissionen um rund zehn Prozent oder 19 Millionen Tonnen. »Der Klimaschut­z ist ein Art Krisengewi­nnler in Bezug auf die Industrie«, brachte Messner die Sache auf den Punkt. Zum einen sei auch in der Industrie viel Gas gespart worden, erläuterte er. Zum anderen habe es reale Produktion­srückgänge gegeben, so bei der Stahlerzeu­gung und bei Ammoniak. Das sei allerdings nicht die Art von Klimaschut­z, die man sich für Deutschlan­d vorstelle, betonte der UBA-Präsident. »Wir wollen die Industrie nicht stilllegen, sondern wir wollen sie transformi­eren.«

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