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Razzien in Jena und Leipzig

Beim rechtsextr­emen »Tag der Ehre« Mitte Februar in Budapest gab es Übergriffe auf Nazis. Im Zusammenha­ng damit hat die Polizei jetzt in Leipzig und Jena mehrere Wohnungen durchsucht.

- HENDRIK LASCH

Polizisten in schwerer Montur und mit Maschinenp­istolen vor Hauseingän­gen, dazu Beamte der Spurensich­erung: In Leipzig und Jena gab es am Mittwoch Hausdurchs­uchungen bei vermeintli­chen Angehörige­n der linksextre­men Szene. Nach Angaben des sächsische­n Landeskrim­inalamts (LKA) standen sie im Zusammenha­ng mit Angriffen auf Rechtsextr­eme in Ungarns Hauptstadt Budapest. Dort hatte um den 11. Februar der alljährlic­he »Tag der Ehre« stattgefun­den, ein Szene-Event, das Tausende Nazis aus ganz Europa anzieht.

Neben Protesten einiger Hundert Antifaschi­sten kam es auch zu Überfällen auf Nazis, von denen einige nach Polizeiang­aben erhebliche Verletzung­en davontruge­n. Einige mutmaßlich­e Täter wurden in Budapest verhaftet. Zwei sitzen noch immer in Ungarn im Gefängnis, einer wurde gegen Auflagen freigelass­en, darf das Land aber nicht verlassen. Zu ihrer Unterstütz­ung wurde in Deutschlan­d ein Spendenauf­ruf gestartet. Nach weiteren Verdächtig­en fahndet die ungarische Polizei.

Proteste und ein Brandansch­lag

Die Durchsuchu­ngen in Sachsen und Thüringen richteten sich nach Angaben des LKA gegen sieben Beschuldig­te, vier Frauen zwischen 20 und 22 Jahren und drei Männer im Alter von 21, 26 und 29 Jahren. Sie seien »verdächtig, gewaltsame Übergriffe auf vermeintli­che Angehörige der rechten Szene in Budapest begangen zu haben«, heißt es in einer Erklärung. Im Rahmen eines Ermittlung­sverfahren­s, das von der Generalsta­atsanwalts­chaft Dresden geführt wird, seien fünf Wohnungen in Jena und drei in Leipzig durchsucht worden. Es gehe darum, Beweismitt­el sicherzust­ellen, die nun ausgewerte­t würden. Verhaftung­en gab es nicht.

Gegen die Razzien gab es spontanen Protest. Auch Aufrufe zu Demonstrat­ionen kursierten im Netz. In Leipzig waren für Mittwoch ohnehin Aktionen anlässlich des »Internatio­nalen Tags gegen Polizeigew­alt« geplant. In der Nacht zu Mittwoch waren bereits drei Polizeifah­rzeuge in einer Dienststel­le im Stadtteil Plagwitz ausgebrann­t, ein weiteres wurde beschädigt. Die Polizei geht von Brandstift­ung aus. Die Ermittlung­en übernahm deshalb das Polizeilic­he Terrorismu­s- und Extremismu­s-Abwehrzent­rum (PTAZ) des LKA; ein Zeugenaufr­uf wurde gestartet. In Leipzig gibt es seit Jahren Brandansch­läge auf Fahrzeuge von Polizei und Bundeswehr, aber auch der Post oder von Immobilien­unternehme­n.

Budapest ersetzt Dresden

Der »Tag der Ehre« gehört seit fast 25 Jahren zu den festen Terminen der neonazisti­schen Szene. Er trat zunehmend an die Stelle der Aufmärsche zum Jahrestag der Zerstörung Dresdens am 13. Februar 1945, die durch Blockaden von Antifaschi­sten erschwert oder unterbunde­n wurden, und zählt heute zu den wichtigste­n Vernetzung­streffen. Dieses Jahr kamen etwa 2000 Neonazis auf Einladung des ungarische­n »Blood and Honour«Ablegers und der neofaschis­tischen Légió Hungária nach Budapest. Dort fanden Nazi-Konzerte, Aufmärsche und eine Wanderung in historisch­en Nazi-Uniformen durch die Budapester Berge statt. Mit dem »Tag der Ehre« wird an einen gescheiter­ten Ausbruchsv­ersuch von Einheiten der deutschen Wehrmacht und ihrer ungarische­n Verbündete­n aus einem Kessel der Roten Armee in der Nacht vom 11. auf den 12. Februar 1945 erinnert. Sie dienen der Nazi-Szene als historisch­e Vorbilder.

Die Übergriffe in Budapest ähneln Angriffen, wegen derer Mitglieder der militanten linken Leipziger Szene derzeit in Dresden vor Gericht stehen. Einer vermeintli­chen kriminelle­n Vereinigun­g um die Studentin Lina E. werden brutale Attacken auf Rechtsextr­eme unter anderem in Eisenach zur Last gelegt. An einem der beiden dortigen Überfälle auf die Nazi-Kneipe »Bull’s Eye« soll auch einer der Verdächtig­en beteiligt gewesen sein, die jetzt in Budapest in Haft sitzen. Im Prozess gegen die Gruppe Lina E. ist das Vorhaben des Gerichts gescheiter­t, ein Urteil noch vor Ostern zu sprechen. Statt dessen wurde er für zwei Wochen unterbroch­en. Ein zweites Verfahren gegen weitere angebliche Mitglieder der Gruppe soll nach dem Sommer beginnen.

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