Türkische Pistole vor schwedischer Nato-Brust
Schwedens Regierung legt Entwurf für Terrorgesetz vor Schweden will in die Nato, stößt jedoch auf den Widerstand der Türkei. Dafür macht Stockholm Zugeständnisse an Ankara – zum Nachteil der Kurden.
Die schwedische Regierung bereitet ihre Landsleute wegen des ungelösten Streits mit der Türkei darauf vor, dass ihr Land erst nach Finnland in die Nato aufgenommen werden könnte. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Beitritte in unterschiedlichem Tempo vonstattengehen, sei gestiegen, sagte Ministerpräsident Ulf Kristersson am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Stockholm.
Dabei bemüht sich die schwedische Regierung, den Forderungen der Türkei weitgehend entgegenzukommen. So legte der schwedische Justizminister Gunnar Strömmer kürzlich einen Gesetzentwurf vor, der die Teilnahme an terroristischen Aktionen oder den Versuch dazu, die Finanzierung terroristischer Organisationen und die Mitgliedschaft in solchen unter Strafe stellen soll. Das Gesetz muss noch durch die Lesungen im Reichstag, dem schwedischen Parlament, und soll am 1. Juni dieses Jahres in Kraft treten.
Dilemma für schwedische Politik
Seit Schweden und Finnland im Vorjahr als Folge der russischen Invasion in der Ukraine den Antrag auf Nato-Mitgliedschaft stellten, haben die Türkei und insbesondere Präsident Recep Tayyip Erdoğan lautstark protestiert und eine Reihe von Bedingungen an die schwedische Regierung gestellt, die erfüllt werden müssten, bevor dem Antrag zugestimmt werden könne. Die Türkei wittert die Chance, den kurdischen Organisationen in Schweden und insbesondere der PKK den Handlungsfreiraum zu nehmen, den sie bis jetzt haben. Die schwedische Politik sieht sich in einem Dilemma: Soll sie ihre bisherige liberale Politik der Meinungs- und Versammlungsfreiheit schützen und ein türkisches
Nein zum Nato-Beitritt riskieren, oder findet sich ein Weg, wie die Sicherheit des Landes mit einem Minimum an Zugeständnissen gesichert werden kann?
In seiner Begründung für das Terrorgesetz weist Strömmer deshalb auch nicht auf die türkischen Probleme hin, sondern darauf, dass es eine Lücke im Gesetz gebe. Schweden lebt seit 2010 im Zustand einer erhöhten Sicherheitsstufe nach einer Reihe terroristischer Anschläge. Beim blutigsten von 2017 raste ein Lkw in eine Fußgängerzone und tötete mehrere Menschen. Auf Befragen verneinte Strömmer, dass Schweden eine Freistatt für Terroristen sei, und erklärte, dass »wir politische Verantwortung haben, dass Schweden keine straffreie Zone wird für alle Arten von Handlungen, die eine Terrororganisation befördern und stützen«.
Gesetzesvorschlag überarbeitet
Der Gesetzesvorschlag wurde in den letzten Monaten überarbeitet und ist bereits seit sechs Jahren in der Diskussion. An früheren Entwürfen hatte der aus Richtern gebildete Rechtsrat kritisiert, dass die Befugnisse der Behörden zu weitläufig definiert und zu undeutlich formuliert waren. Nach Auffassung der Regierung habe die neue Fassung auf diese Kritik Rücksicht genommen.
Gemäß dem Gesetzentwurf kann die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft werden, aktive Handlungen, die die Tätigkeit der Organisation befördern und stärken, mit bis zu vier Jahren. Dazu gehört auch die Finanzierung oder Mitgliederwerbung. Die aktive Teilnahme an Terroraktionen kann mit Haftstrafen bis zu 18 Jahren, in schweren Fällen auch lebenslänglich bestraft werden. Der Handlungsspielraum kurdischer Organisationen, die sich in unterschiedlichem Grad zur PKK bekennen, wird so erheblich eingeschränkt werden. In Schweden haben viele Kurden politisches Asyl gefunden.