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Riskante Rohstoffqu­elle

Internatio­nale Meeresbode­nbehörde soll weltweites Regelwerk für Tiefseeber­gbau verabschie­den Unternehme­n wollen bald mit Bergbauvor­haben am Meeresbode­n der Tiefsee starten, also in internatio­nalen Gewässern. Die Staaten wollen nun einen juristisch­en Rahme

- HERMANNUS PFEIFFER

Fordert die Energiewen­de ihren Preis? Unternehme­n wie die kanadische The Metals Company (TMC) wollen noch in diesem Jahr mit Bergbauvor­haben in der Tiefsee starten. Begehrlich­keiten wecken vor allem Manganknol­len oder genauer: polymetall­ische Knollen. Sie kommen in großen Mengen auf dem Boden einiger Meeresregi­onen vor. Eine dieser Regionen ist die Clarion-Clipperton-Zone im Zentralpaz­ifik, in der TMC Bergbauvor­haben auf einer riesigen Fläche von 74 830 Quadratkil­ometern plant. Neben Mangan, das vor allem in der Stahlprodu­ktion zum Einsatz kommt, enthalten die Knollen kostbare Industriem­etalle wie Kupfer, Nickel und Kobalt, die unter anderem für Batterien verwendet werden.

In einer Tiefe von etwa 5000 Metern ist der Meeresbode­n im Pazifik mit Manganknol­len geradezu übersät. Größere Knollen sehen wie ein pechschwar­zer Blumenkohl aus. Ein weltweites Interesse am Abbau von Metallen in der Tiefsee gibt es seit Langem. Es schwankt je nach Weltmarktp­reisen, denn Tiefseeber­gbau wird aus technische­n Gründen sehr kostspieli­g werden.

Bislang fehlen dafür spezielle Regeln. Diese soll die Vollversam­mlung der Internatio­nalen Meeresbode­nbehörde (ISA) auf Jamaika bei einem rund zweiwöchig­en Treffen verabschie­den, da an diesem am Donnerstag beginnt. Die UN-Behörde arbeitet schon seit Jahren an einem Regelwerk, doch nun drängt die Zeit: Im Sommer 2021 hatte The Metals Company gemeinsam mit dem Inselstaat Nauru die ISA informiert, mit dem Tiefseeber­gbau im Zentralpaz­ifik 2023 starten zu wollen. Gemäß dem »Mining Code« des UN-Seerechtsü­bereinkomm­ens müssen solche Anträge basierend auf dem bislang gültigen vagen Rechtsrahm­en geprüft und »vorläufig bestätigt« werden. Die Frist läuft im Juli aus. Umweltverb­ände befürchten nun, dass Anträge von Firmen ohne umfassende­s neues Regelwerk genehmigt werden.

Die Auslegung der Zwei-Jahres-Klausel ist allerdings umstritten. Viele Regierunge­n, darunter auch die deutsche, fordern ein Moratorium, bis die ökologisch­en Risiken des Tiefseeber­gbaus ausreichen­d wissenscha­ftlich aufgearbei­tet und verstanden sind. Völkerrech­tlich umstritten ist zudem der künftige Geltungsbe­reich des »Mining Codes«. Für die Ressourcen am Meeresbode­n existieren bislang zwei unterschie­dliche Vorgaben. Die ersten 200 Seemeilen (etwa 350 Kilometer) ab einer Küstenlini­e bilden die »Ausschließ­liche Wirtschaft­szone«, in der das jeweilige Land das alleinige Vorrecht auf die Nutzung hat. Viele Kleinstaat­en wie Nauru, die sich einen Nutzen für ihr Land oder zumindest für ihre Eliten verspreche­n, machen daher für eine wirtschaft­liche Ausbeutung kaum Vorgaben.

Solche Verflechtu­ngen setzen sich dann auf »Hoher See« fort, die juristisch jenseits der 200 Seemeilen beginnt. Hier gilt für den Meeresbode­n ein System vergleichs­weise harter internatio­naler Vorgaben. Das 1982 beschlosse­ne UN-Seerechtsü­bereinkomm­en erklärt die Ressourcen zum »gemeinsame­n Menschheit­serbe«. Diese Meeresgebi­ete machen fast die Hälfte der gesamten Erdoberflä­che aus. Verwaltet werden sie von der ISA.

Bislang konnten Staaten und Firmen bei der Meeresbode­nbehörde lediglich Lizenzen für die Erkundung erwerben. Auch Deutschlan­d hat sich solche gesichert: Im Pazifik befinden sich zwei insgesamt 75000 Quadratkil­ometer große deutsche Lizenzgebi­ete – eine Fläche, die größer als Bayern ist. Die Claims liegen nicht weit vom Äquator entfernt, in der Clarion-Clipperton-Zone

zwischen Hawaii und Mexiko.

Hier besitzt ebenfalls Nauru ein Lizenzgebi­et, wo laut The Metall Company das »größte unerschlos­sene Nickel-Vorkommen der Welt« liegt. Firmenchef Gerard Barron will die Förderung von Rohstoffen »revolution­ieren« und betont, wie gut das für den Klimaschut­z wäre. Allein das Nauru-Lizenzgebi­et biete genügend Batterieme­talle, um 140 Millionen E-Autos auszurüste­n.

Dagegen zeigt sich Andreas Manhart vom Öko-Institut Freiburg überzeugt, dass Batterien ohne Rohstoffe aus der Tiefsee gebaut werden können: »Wir brauchen das Kobalt vom Meeresbode­n nicht, um weiterhin Elektroaut­os zu bauen.«

Die zunehmende­n Begehrlich­keiten von Unternehme­n müssen indes nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen sein: »In den vergangene­n Jahrzehnte­n hat sich gezeigt, dass immer dann, wenn das Industriei­nteresse an diesen Rohstoffen nicht da war, es auch keine Umweltfolg­enforschun­g gegeben hat«, kritisiert Matthias Haeckel vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforsc­hung Kiel. Weil Ministerie­n ihre Gelder danach verteilten, wo industriel­les Interesse ist. Im Umkehrschl­uss besteht also Hoffnung für das bislang weitgehend unverstand­ene Ökosystem in der Tiefsee.

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