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Sozialer Fokus von Arbeit bis Zugfahren

Der Sozialgipf­el erwartet viel Engagement von dem zukünftige­n Senat Ob Mobilität oder Mieten – jede Politik ist auch Sozialpoli­tik. Dementspre­chend viele Forderunge­n stellt der Sozialgipf­el an Schwarz-Rot.

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»Unglaublic­h engagiert und vor allem kompetent«, »ein sehr gut geführtes Haus«, »eine Zeit geprägt von tiefer Leidenscha­ft für soziale Themen« – ein bisschen Wehmut schwingt mit, als sich die Vertreter*innen des Berliner Sozialgipf­els auf der Pressekonf­erenz am Mittwoch an die Arbeit mit Sozialsena­torin Katja Kipping (Linke) und ihrer ebenfalls linken Vorgängeri­n Elke Breitenbac­h erinnern. »Wenn die zukünftige Senatorin oder der Senator auch nur ansatzweis­e so viel tun wird, ist uns schon viel geholfen«, sagt Oliver Bürgerl, Landesgesc­häftsführe­r der Arbeiterwo­hlfahrt (AWO) Berlin-Brandenbur­g.

Welchen Aufgaben und Themen sich die bald neu geführte Verwaltung für Arbeit und Soziales mit vergleichb­arem Elan widmen sollte, hat das Bündnis des seit 13 Jahren jährlich tagenden Sozialgipf­els in einem Empfehlung­spapier zusammenge­fasst – pünktlich zur konstituie­renden Sitzung des Abgeordnet­enhauses am Donnerstag. Es gehe um eine funktionie­rende Daseinsvor­sorge, erklärt Bürgel. Und darunter fallen so ziemlich alle Aspekte eines Menschenle­bens: Gesundheit, Mobilität, Wohnen,

Bildung, Arbeit und die Verwaltung, die den Zugang gewährleis­ten muss.

Die Verwaltung­sreform stellt dementspre­chend einen zentralen Punkt dar. »Bessere finanziell­e, digitale und personelle Ausstattun­g der Verwaltung für die Bearbeitun­g der Anliegen der Hilfesuche­nden sowie der Sozialwirt­schaft«, so lautet die Forderung auf Papier. Ursula Engelen-Kefer vom Sozialverb­and Deutschlan­d, Landesverb­and Berlin-Brandenbur­g, gibt ein konkretes Beispiel: das neu eingeführt­e »Wohngeld Plus«. »Wir haben monatelang­e Dauern für die Behandlung der Anliegen«, erzählt sie, gerade wenn es um Nachfragen bei den Ämtern gehe. »Viele ältere, digital nicht so affine Rentner kommen dann zu uns, weil sie den Wohngeldre­chner nicht benutzen können.« Mehr Personal wäre notwendig, um diese »ungeheuer wichtige Verbesseru­ng« auch tatsächlic­h umzusetzen.

Was Mobilität betrifft, fordert der Gipfel einen bezahlbare­n und barrierefr­eien öffentlich­en Nahverkehr. Kefer hofft, dass der neue Senat außerdem die reduzierte­n Ticketange­bote als Ergänzung zum bundesweit­en 49-Euro-Ticket über den 30. April hinaus weiterführ­t. Hier ist sie zuversicht­lich, dass die SPD an dem Projekt des dauerhafte­n 29-Euro-Tickets festhält.

Weniger Hoffnung dürfte sich Ulrike Hamann vom Berliner Mietervere­in machen. Um Wuchermiet­en zu verhindern, schlägt der Verein ein Landesamt für Wohnungswe­sen vor, das existieren­de Instrument­e wie die Mietpreisb­remse konsequent­er nutzen und Verstöße tatsächlic­h ahnden sollte. »Bisher erleben wir eine kontinuier­liche Überschrei­tung der Mietpreisb­remse«, so Hamann. Zudem soll Berlin die »Möglichkei­ten zur Rekommunal­isierung und Vergesells­chaftung von Wohnraum prüfen«. Mehr muss sie dazu nicht sagen. Die skeptische bis feindliche Haltung bei SPD und CDU zum Volksentsc­heid Deutsche Wohnen und Co enteignen ist hinlänglic­h bekannt.

Katja Karger vom Deutschen Gewerkscha­ftsbund (DGB) Berlin-Brandenbur­g redet schließlic­h über Arbeit. Bevor der Sozialstaa­t aushelfe, müsse alles versucht werden, dass die Würde der Menschen »von ihrer Hände Arbeit« gedeckt sei, so Karger. Dafür brauche es auch im öffentlich­en Dienst gute Arbeitsbed­ingungen und Löhne. Aktuell arbeiteten nur noch 14 Prozent der Berliner Betriebe tarifgebun­den. Dabei spielten auch unfaire Vergabepro­zesse für öffentlich­e Projekte eine Rolle, in denen tarifgebun­dene Träger meist den Kürzeren zögen, und das gerade im sozialen und im Gesundheit­ssektor. »Das ist ein Lohndumpin­g, das wir nicht zulassen können«, sagt Karger. Der DGB fordert deshalb eine Tarifbindu­ng aller Bereiche im öffentlich­en Dienst.

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