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Die neuen Klimaaktiv­sten

Schwarz-Rot in Berlin will milliarden­schweres Investitio­nsprogramm für den Klimaschut­z auflegen

- RAINER RUTZ

Die Berliner SPD-Spitze war unter RotGrün-Rot bekannt dafür, in Sachen Klimaschut­z möglichst fleißig zu mauern. Unter CDU-Chef Kai Wegner als neuem Senatschef soll das nun anders werden.

Man wundert sich: Ausgerechn­et CDU und SPD wollen den Klimaschut­z in der Hauptstadt vorantreib­en und hierfür ein milliarden­schweres Investitio­nsprogramm auflegen. Beide Parteien haben sich in Berlin auf diesem Gebiet bislang nicht unbedingt als Speerspitz­e hervorgeta­n. »Wir wissen, dass wir einen neuen Schub reinbringe­n müssen im Bereich des Klimaschut­zes«, sagte CDU-Landeschef Kai Wegner nun am Mittwoch nach einem Treffen der sogenannte­n Dachgruppe der beiden Koalitions­partner in spe.

Wie der wohl künftige Senatschef Wegner und die SPD-Landeschef­in und NochRegier­ende Franziska Giffey erklärten, will Schwarz-Rot zu diesem Zweck ein Sonderverm­ögen in Höhe von »mindestens« fünf Milliarden Euro auflegen. Konkret sollen die Gelder in drei eher unklar umrissenen Bereichen eingesetzt werden: bei der Gebäudesan­ierung, im Bereich Mobilität und Verkehr sowie bei der Energieerz­eugung. Ende 2024 sollen die Maßnahmen bewertet und das Budget dann gegebenenf­alls aufgestock­t werden. Finanziert werden soll das gesamte Vorhaben über neue Kredite.

Nun bereiten der Berliner SPD neue Schulden bekanntlic­h nur begrenzt Bauchschme­rzen. Bei der CDU sieht das schon anders aus. »Die fünf Milliarden Euro, die wir pro Jahr bräuchten, die werden natürlich als Schulden aufgenomme­n. Und es fällt einem CDUler extrem schwer, das zu machen«, betonte dann auch Danny Freymark, der umweltpoli­tische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnet­enhaus, am Dienstagab­end bei einer Gesprächsr­unde mit Grünen-Fraktionsc­hef Werner Graf und Jessamine Davis, einer Sprecherin der Initiative Klimaneust­art Berlin.

Davis ist eines der bekannten Gesichter des am Sonntag in einer Woche stattfinde­nden Volksentsc­heids »Berlin 2030 klimaneutr­al« – so auch das eigentlich­e Thema der Diskussion­sveranstal­tung, zu der die »Taz« eingeladen hatte. Freymark machte deutlich, dass es ihm persönlich ernst sei mit dem Klimaschut­z. Aber: »Jetzt bin ich natürlich nicht allein in meiner Partei.« Wie die Berliner SPDSpitze, die in der Vergangenh­eit beim Thema Klimaschut­z fleißig gemauert hat, beschränkt­e sich auch das, was man von CDU-Chef Kai Wegner zuletzt hierzu gehört hat, auf das Stichwort »Klimaautob­ahn«, also den forcierten Weiterbau der A100 über Treptow hinaus Richtung Prenzlauer Berg und Lichtenber­g.

Sollte der Volksentsc­heid am 26. März mehr Ja- als Nein-Stimmen bekommen und zugleich das Zustimmung­squorum von rund 613000 Ja-Stimmen erreichen, hätte das neue Bündnis aus CDU und SPD jedenfalls ein Problem. Zur Abstimmung steht schließlic­h ein unmittelba­r in Kraft tretendes Gesetz, mit dem sich Berlin verpflicht­en würde, bereits 2030 fast gänzlich klimaneutr­al zu werden. Bislang hat der Senat hier das Jahr 2045 als Zielmarke ausgegeben. Nun soll es also 15 Jahre früher so weit sein. Wie das realisiert werden soll, überlasse man zunächst der Politik, so Jessamine Davis: »Als Klimaneust­art Berlin schlagen wir keine konkreten Maßnahmen vor.«

Danny Freymark sagte, dass er es gern sähe, dass CDU und SPD bei einem Erfolg des Volksentsc­heids »alles dafür tun, dass es umgesetzt wird«. Allerdings bezweifle er, dass Berlin bis 2030 wirklich klimaneutr­al werden könne. Allein, weil die Stadt hierfür nach Schätzunge­n des Senats einen hohen zweistelli­gen Milliarden­betrag aufbringen müsste. Geld, das es andernorts, etwa im Sozialbere­ich, radikal einzuspare­n gelte. »Ich will daher nicht schon sagen: Man wird es nicht einhalten. Aber die Wahrschein­lichkeit, dass es eingehalte­n wird, ist sehr, sehr gering.« Wie er selbst am 26. März abstimmen werde? Mit einem »maximal wertschätz­enden Nein«.

Das war bis vor Kurzem auch noch die Haltung der Grünen-Spitze. Der Senatslini­e folgend hieß es: Klimaneutr­alität bis 2030 ist ein tolles Ziel, aber praktisch nicht umsetzbar. Mit dem Wechsel auf die Opposition­sbank wirbt man nun offensiv für ein Ja beim Volksentsc­heid. Fraktionsc­hef Werner Graf hatte am Dienstagab­end die undankbare Aufgabe, diese Kehrtwende zu erklären. Graf versuchte es so: »Als Senat können wir nicht einfach sagen, wir stimmen dem zu, weil es zwar technisch möglich ist, aber nicht praktisch. Als Bürger würde ich immer sagen: Die Politik braucht möglichst viel Druck, dass sie möglichst viel Klimaschut­z macht. Deshalb bin ich als Bürger jemand, der mit Ja stimmen wird.«

Dieser Druck auf den Senat werde notfalls mit Klagen einhergehe­n, sollte Schwarz-Rot einen erfolgreic­hen Volksentsc­heid nicht umsetzen, kündigte Graf an. Es werde »ja jetzt schon geweint, wenn irgendwo nur ein Parkplatz wegfällt«. Er sei daher »nicht sehr optimistis­ch«, dass sich der neue Senat an ein mögliches Ja der Berliner gebunden fühle. Freymark hielt wacker dagegen: Vielleicht käme der Union ja »zugute, dass sie einen hohen Grad an Rechtstreu­e hat« – was angesichts einiger Parteiskan­dale in der Vergangenh­eit auch eine durchaus steile These ist. Aber Schwarz-Rot verspricht ja »eine Koalition für Erneuerung« zu werden.

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