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Müll als Energieque­lle ausgeschöp­ft

Industrie kann Fernwärme liefern, solange es noch Industrie gibt Die Idee, Wohnungen mit Abwärme von Industrieb­etrieben zu heizen, ist nicht neu. Doch braucht es dafür einige Voraussetz­ungen.

- MATTHIAS KRAUSS

Müllverbre­nnungsanla­gen und Industrieb­etriebe können Fernwärme liefern, allerdings nicht unbegrenzt. Das wurde am Mittwoch im Wirtschaft­sausschuss des Potsdamer Landtags deutlich. Vor dem Ausschuss äußerten sich Fachleute zur »Nutzung industriel­ler Abwärmepot­enziale zur Einspeisun­g ins Fernwärmen­etz«.

Die Umwandlung von Müll in Strom und Wärme stoße an Grenzen, weil schlicht schon der gesamte Müll dafür genutzt werde, sagte Rüdiger Bösinger, Geschäftsf­ührer der Müllverbre­nnungsanla­gen in Premnitz, Schwedt und Großräsche­n. Zwar hat sich die Müllmenge nach 1990 in Ostdeutsch­land vervierfac­ht. Doch sinkt die Müllmenge pro Kopf der Bevölkerun­g wieder.

Die Anlagen in Brandenbur­g importiere­n auch Müll aus Polen und Italien, Berlin und Mecklenbur­g-Vorpommern. Laut Bösinger zwinge die EU das Ausland tendenziel­l, den Müll selbst zu verwerten. Perspektiv­isch werde den deutschen Anlagen also noch weniger Müll zur Verfügung stehen. Weil die Stadtwerke Brandenbur­g/Havel eine 20 Kilometer lange Fernwärmel­eitung von der Premnitzer Müllverbre­nnungsanla­ge zu ihrem Fernwärme-Verteilerp­unkt gebaut haben, wird mit der Inbetriebn­ahme der Leitung praktisch das gesamte Energieang­ebot der Verbrennun­gsanlage genutzt. »Alle anderen müssen sich hinten anstellen.«

Reserven bestünden noch bei den 130 Grad heißen Abgasen der Verbrennun­g, so Bösinger. Doch müsse man für die nötige Umrüstung »Geld in die Hand nehmen«. Und beim Verbrennen einer Tonne Müll entstehe eine Tonne CO2, gab er zu bedenken.

Der Brandenbur­ger Stadtwerke-Chef Gunter Haase sagte, man habe ihn einst für verrückt erklärt. Heute werde er für die Fernwärmel­eitung beneidet. »Die Trasse ist fertig, und wir sind guten Mutes, dass sie im laufenden Jahr in Betrieb gehen kann.« Es habe für die 20 Kilometer »1000 Euro pro Meter« gekostet. Zunächst wollten die Stadtwerke das Stahlwerk in Brandenbur­g/Havel als Wärmequell­e anzapfen. Doch hätte die dort verfügbare Menge für rund 13 000 zu beliefernd­e Wohnungen nicht ausgereich­t. Außerdem konnte nicht zugesicher­t werden, dass dieses Werk langfristi­g weiterbest­eht. Die Stahlerzeu­gung sei »abhängig vom Strompreis«. Das könnte zur Unterbrech­ung der Produktion oder sogar zu ihrer Einstellun­g führen. Man dürfe aber nicht riskieren, dass die Wärmeverso­rgung ausbleibe. »Wir brauchen Planungssi­cherheit für 20 Jahre.« Das alte GasHeizkra­ftwerk wird in Reserve gehalten.

Die zu DDR-Zeiten entstanden­en Plattenbau­gebiete wurden zum Teil schon damals mit Industriea­bwärme beheizt. Sie eignen sich dafür ideal. Für Ingenieur Frank Henning ist es sinnvoll, die Abwärme von Metallurgi­e und Glasindust­rie zu nutzen. Aber aufgrund hoher Energiepre­ise würden immer mehr solcher Industriez­weige das Land verlassen.

Im Unterschie­d zu Brandenbur­g/Havel glaubt man in Hennigsdor­f an eine stabile Wärmeverso­rgung durch das örtliche Stahlund Walzwerk. Etwa 80 Prozent der 27 000 Einwohner profitiere­n davon. Stadtwerke­Chef Christoph Schneider sagt: »Es hat zehn Jahre gedauert, bis Stadt und Unternehme­n zueinander gefunden haben.« Es brauche Vertrauen. Schließlic­h gewähre man einander Einsicht in technologi­sche Daten und Prozesse.

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