Der Löwe wartet auf dich
Was für Storys, was für Stimmungen: Ein Mann wird zum Hund, weil er dann besser durchs Leben kommt. Ein Zug bleibt stehen, und draußen hält die Polizei die Menge davon ab, den Zug zu stürmen – so lange, bis man hinausbegleitet und selbst Teil der Menge wird. Ein Mann erbt ein Haus und findet darin eine Springmaus, die er heiratet, auf dem Standesamt in Weiß, als wäre das ganz normal. Eine Religionsgemeinschaft warnt vor den »schwarzen Schnegeln«, die mit ihren »Raspelzungen und Giftdrüsen« dem Urmeer entsprungen sind und die die Erde mit »ihren Gelegen« mittels »Selbstbefruchtung« bis zum Weltuntergang durchsetzen – ein großer Unsinn, bis man sie unterm Dachboden hört. Ein Hypnotiseur überzeugt den Erzähler, ein Tier zu sein: »Geh zurück zum Gehege! Klettere über die Brüstung! Schwimm durch den Graben! Der Löwe wartet auf dich. Er ist dein Bruder« – und dieser glaubt es und macht alles. Klingt wie Franz Kafka oder Roald Dahl auf LSD oder auf Pilzen – und auch von diesen Gebräuchen legt Ludwig Lugmeier Zeugnis ab in seinen geradezu klassisch formulierten »abseitigen Geschichten«, die einen schaudern machen im lächelnden Gesicht. Bis man auch der Meinung ist, dass sich im Schrank jemand versteckt haben könnte: Hat man nicht eben Geräusche gehört? »Wenn ich daran denke, laufen mir kalte Schauer den Rücken hinunter. Ich weiß, ich werde nie wieder auf dem Bett ausgestreckt den Abend genießen. Damit ist es vorbei.«
Ludwig Lugmeier: So der Herr mit Zylinder. Abseitige Geschichten. Verlag Expeditionen, 150 S., br., 15 €.