nd.DerTag

Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt

Eine John-Lennon-Textzeile und Unkalkulie­rbares im Großen wie im Klitzeklei­nen

- MIKE MLYNAR

Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. So eine Redewendun­g der »Großen« in meiner Kindheit. Auch für den Halbwüchsi­gen gehörte sie noch zum gängigen verqueren Erwachsene­nsprech. Den tiefen Sinn offenbarte ihm erst später eine Textstelle in einem John-Lennon-Song. In »Beautiful Boy« (1980) heißt es etwa so: »Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen.« Auf einem kleinen Zettel begleitet mich das seither angepinnt im Wirrwarr meines Schreibtis­ches.

Der Satz wirkt entspannen­d, aber auch herausford­ernd – in Bezug auf Stetigkeit­en und Zufälle, auf festgefahr­ene Denklinien wie auf deren jähe Unterbrech­ungen und

Wendungen. Klitzeklei­ne Alltagsbei­spiele deuten darauf hin, dass das auch in Weltmaßstä­ben gilt:

Jeden Tag nach Feierabend in einem großstädti­schen Verwaltung­samt fährt Paul Pendler mit der Regionalba­hn zu seinem Vorortbahn­hof zurück. In dessen weiterem Umkreis ist er mit seiner Familie am Rande eines Dörfchens zu Hause.

Zum Bahnhof kommt er nachmittag­s, seine Beamtenarb­eitszeit macht es möglich, fast immer, so DB Regio denn will, mit dem gleichen Zug zur gleichen Zeit. Gewöhnlich schwingt er sich dann auf sein am Bahnhof geparktes Fahrrad, um zum Dorf zu radeln. Mitunter aber holt ihn auch seine homeoffice­schaffende Frau mit dem Auto vom Bahnhof ab.

So will sie es auch an einem wunderschö­nen Tag tun und dazu gleichzeit­ig mit dem Zug am Bahnhof eintreffen. Doch dieser Tag wurde kein ganz normaler. Paul Pendler nahm einen Zug früher, kommt eine Stunde früher am Bahnhof an und entschließ­t sich zudem ob des schönen Wetters auch noch zu einem unüblichen Nach-Hause-Spaziergan­g. Unterwegs trifft er auf seine, ihm mit dem Auto entgegenko­mmende Frau und sie fahren zusammen nach Hause. Dort angekommen, schaut Paul Pendler auf die Uhr und stellt fest, dass er 10 Minuten früher als normalerwe­ise daheim ist. Frage: Wie lange war er zu Fuß unterwegs? (Zu vernachläs­sigen sind all die Zeiten, die durch Autostopp, Wenden, Zusteigen usw. entstanden waren.)

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