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Wunderstür­mer und Statisten

Manchester Citys Erling Haaland schießt Leipzig aus der Champions League

- ULLRICH KROEMER, MANCHESTER

Die RasenBalls­portler kassieren die höchste Niederlage der Klubgeschi­chte. RB habe sein Gesicht verloren, so Sportchef Max Eberl. Er und Trainer Marco Rose haben viel zu tun, um das Spitzenniv­eau in der Königsklas­se zu erreichen.

Mit 1,94 Metern war Erling Haaland ohnehin der größte Spieler auf dem Platz. Doch im Laufe des magischen 7:0 (3:0)-Triumphs im Achtelfina­l-Rückspiel der Champions League gegen RasenBalls­port Leipzig bekam der 22-Jährige in der Wahrnehmun­g noch einmal einen gewaltigen Wachstumss­chub. Mit seiner Präsenz füllte der Wunderstür­mer anscheinen­d den ganzen Platz: all eyes on Erling. Mit fünf Toren, darunter ein Hattrick in der ersten Hälfte, stellte der blonde Hüne den Rekord von Lionel Messi mit dem FC Barcelona und Luiz Adriano für Schachtjor Donezk in der Königsklas­se ein.

Nach der historisch­en Haaland-Show erhoben sich die 52000 Fans im Stadion ungläubig von ihren Sitzen und applaudier­ten gebannt, als City-Trainer Pep Guardiola ihn nach einer guten Stunde auswechsel­te. »Ich habe Pep gesagt, als ich vom Platz ging, dass ich gern einen doppelten Hattrick erzielt hätte«, sagte der Norweger lächelnd am TV-Mikro. »Aber was soll ich machen?« Guardiola konterte schlagfert­ig: »Ich habe ihm die Chance gegeben, in der Zukunft noch Ziele zu haben.«

Den Spielball sicherte sich Haaland nach Abpfiff dennoch, klemmte sich die Kugel unter den Arm und drehte eine kleine Ehrenrunde auf dem Platz, während der Eurodance-Klassiker »No limit« aus den Boxen wummerte. Keine Grenzen – das gilt für Haaland derzeit wie für keinen zweiten Stürmer weltweit. 39 Tore in seinen ersten 36 Partien für die »Cityzens« hat er bislang erzielt, so viel wie keiner vor ihm. Und nie zuvor hatte ein Fußballer in diesem Alter die Marke von 30 Treffern in der Champions League geknackt. Man könnte die Liste fortsetzen, in nahezu jeder Partie erzielt Haaland neue Rekorde.

Der Superstar nahm das Bohei um seine Person nach dem Spiel selbst eher skandinavi­sch wortkarg zur Kenntnis. »Das war fantastisc­h, 7:0 zu Hause, fünf Tore zu schießen, ich bin wirklich stolz und glücklich«, sagte er verlegen. »Nach fünf Toren muss ich eigentlich gar nicht viel sagen.« Der junge Mann aus Molde lässt lieber seine Tore sprechen.

Max Eberl

Die Diskussion, die britische Medien vor dem Spiel konstruier­t hatten, ob Haaland zum Guardiola-Fußball passe und umgekehrt, ist angesichts dieser Zahlen völlig paradox. »Du weißt nicht, spielen sie tief oder kurz? Sie haben mehr Möglichkei­ten, sie können Erling als Wandspiele­r nutzen oder ihn in tiefe Räume schicken. Sie sind jetzt noch kompletter«, sagte Leipzigs Trainer Marco Rose verwundert. »Wenn er noch ein Jahr länger hier ist und genauer weiß, was Pep will, wird es noch besser.« Als ein britischer Reporter noch einmal nachbohrte, ergänzte Rose: »Wenn ihr ihn nicht wollt, schickt ihn zu mir! Nur für die letzten zehn Spiele, dann bekommt ihr ihn zurück. Ich liebe ihn, als Typ und Spieler.«

Haaland zeigte all seine Qualitäten gegen die Leipziger, die sich vor dem Spiel viel ausgerechn­et hatten und die er zu schlechten Statisten degradiert­e. Der ehemalige Dortmunder hatte schon im Trikot der SchwarzGel­ben oft und gern gegen RB getroffen. Bei dem Spektakel im rauen Osten Manchester­s netzte er vom Elfmeterpu­nkt ebenso wie per Kopf, drückte Bälle über die Linie und schaltete bei Standardsi­tuationen im Getümmel am schnellste­n – ein kompletter Stürmer eben.

Der ehemalige Leipziger Stürmer Uwe Rösler, der bei Manchester City in den 90ern zur Legende wurde, sagte dem Portal RBlive: »Er adaptiert in kürzester Zeit das nächsthöhe­re Niveau und meistert das. Er hat kaum Rückschläg­e. Wie er mental den Erwartungs­druck meistert, sich immer weiter verbessert im Kombinatio­nsspiel, im Kopfballsp­iel, bei der Boxbesetzu­ng, im Abschluss, immer im richtigen Moment an der richtigen Stelle steht und bei seinen tiefen Läufen kaum ins Abseits läuft, ist phänomenal.«

Für die Leipziger hingegen ist das nicht so einfach mit dem nächsthöhe­ren Level. Zu den besten 16 Teams in Europa gehörte das Team von Rose nun bereits dreimal. Doch das 0:7-Debakel, die höchste Niederlage in 14 Jahren Klubgeschi­chte, zeigt auch, wie groß der Unterschie­d zur Weltspitze noch ist. Um sich gegen Citys Wucht zu wehren, fehlte RB schlicht die Klasse. Wenn Verletzung­en wie die von Christophe­r Nkunku, Dani Olmo und Xaver Schlager ins Kontor schlagen und Leipzig nicht ins Pressingsp­iel kommt, ist das Team den Herausford­erungen nicht gewachsen. Im Kader sind zu viele durchschni­ttliche Spieler wie Amadou Haidara, Kevin Kampl und Lukas Klosterman­n.

»Wir waren chancenlos, am Ende haben wir unser Gesicht verloren«, bekannte Leipzigs neuer Sportchef Max Eberl nach dem Untergang. Es wird für ihn und Trainer Rose eine immense Herausford­erung, die Mannschaft in den nächsten Jahren so umzubauen, dass sie eines Tages bereit für dieses Niveau ist.

»Wir waren chancenlos, am Ende haben wir unser Gesicht verloren.«

Sportchef RB Leipzig

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Nicht zu halten: Manchester­s Erling Haaland (l.) entwischte den Leipzigern um Josko Gvardiol ein ums andere Mal.

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