nd.DerTag

Symbolisch­e Anklage

- Daniel Säwert zum Haftbefehl gegen Wladimir Putin

Wladimir Putin ist jetzt ein gesuchter Mann. Der Internatio­nale Strafgeric­htshof in Den Haag hat den russischen Präsidente­n mit seinem Haftbefehl offiziell zum Bösewicht erklärt. Ein überfällig­er Schritt, wenn es nach ukrainisch­en und westlichen Offizielle­n geht. Die Reaktionen reichen von »historisch« (Wolodymyr Selenskyj) bis »gerechtfer­tigt« (Joe Biden). Dass der US-Präsident einen eher beamtisch-nüchternen Ausdruck verwendet, liegt auf der Hand. Schließlic­h freut er sich über eine Entscheidu­ng, die das Weiße Haus gegen sich selbst nie akzeptiere­n würde. Die Frage nach der juristisch­en Verantwort­ung für den ungerechtf­ertigten Überfall auf den Irak vor 20 Jahren ist immer noch nicht geklärt und wird es auch nicht werden.

Die Richter aus Den Haag haben ein Alleinstel­lungsmerkm­al von Russlands Verbrechen gefunden und damit all jenen Wind aus den Segeln genommen, die berechtigt­erweise die Frage stellen, warum sich noch kein westliches Staatsober­haupt für seine Verbrechen verantwort­en musste. Putin soll sich nicht für die gut dokumentie­rten Folterunge­n und Erschießun­gen verantwort­en, sondern für die Deportatio­n von Kindern.

Die Entscheidu­ng des Internatio­nalen Strafgeric­htshofs hat eine eher symbolisch­e Wirkung, da sollte man sich nichts vormachen. Sie kann dazu beitragen, die Verbrechen in diesem Krieg, der bereits viel zu lange dauert, zu dokumentie­ren und vielleicht auch aufzukläre­n. Aber auch wenn die Richter Putins Bewegungsr­adius in der Welt erheblich eingeschrä­nkt haben, ergreifen werden sie ihn nicht. Selbst wenn es eine Gruppe gibt, die Putin absetzen könnte, käme niemand in Russland auf die Idee, ihn in die Niederland­e auszuliefe­rn. Das werden die Russen unter sich regeln.

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