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Linke droht Spaltung in diesem Jahr

Sahra Wagenknech­t will bis Ende 2023 Entscheidu­ng über mögliche Parteigrün­dung treffen

- AERT VAN RIEL

Ihre parteiinte­rnen Kritiker wollen Sahra Wagenknech­t nicht mehr als Mitglied der Linksfrakt­ion dulden. Sie werfen der Politikeri­n vor, ihr Mandat zu missbrauch­en, um die Gründung einer neuen Partei voranzutre­iben.

Die Ankündigun­g der Bundestags­abgeordnet­en Sahra Wagenknech­t, bis Ende des Jahres über eine Parteineug­ründung entscheide­n zu wollen, verschärft die Konflikte in der Linken. Die Parteivors­itzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan teilten am Wochenende mit: »Angesichts von Krieg, Klimakrise, Inflation und Streiks ist die Linksparte­i mehr denn je gefordert. Anzukündig­en, dass man im Verlauf der nächsten Monate über die Bildung einer konkurrier­enden Partei entscheide­n will, ist verantwort­ungslos.« Es stoße die tausenden Mitglieder vor den Kopf, die sich vor Ort für die Partei und ihre Ziele einsetzten. Wissler und Schirdewan forderten alle auf, Spaltungsb­estrebunge­n eine Absage zu erteilen sowie die Linke als plurale sozialisti­sche Partei zu verteidige­n und weiterzuen­twickeln.

»Anzukündig­en, dass man im Verlauf der nächsten Monate über die Bildung einer konkurrier­enden Partei entscheide­n will, ist verantwort­ungslos.«

Allerdings gibt es keine Anzeichen dafür, dass der Flügel um Sahra Wagenknech­t diesen Forderunge­n nachkommen wird. Nach der von ihr und der Publizisti­n Alice Schwarzer organisier­ten Kundgebung Ende Februar in Berlin hatte sich die frühere Fraktionsv­orsitzende öffentlich über die fehlende Unterstütz­ung aus dem Linke-Vorstand für die Veranstalt­ung beschwert. Politiker der Parteispit­ze hatten sich daran gestört, dass in dem Manifest von Wagenknech­t und Schwarzer nicht gefordert wird, dass Russland seine Truppen aus der Ukraine abziehen solle. Außerdem fehle eine »Abgrenzung nach rechts«. Wagenknech­t fordert unter anderem einen Stopp von Waffenlief­erungen an die Regierung in Kiew und die Aufnahme von ernsthafte­n Friedensve­rhandlunge­n.

Nachdem Wagenknech­t kürzlich erklärt hatte, bei der nächsten Bundestags­wahl nicht mehr für die Linke antreten zu wollen, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis es zum Bruch zwischen ihr und der Partei kommen wird. Sie hatte nun dem Nachrichte­nportal ZDFheute.de zu ihren Plänen gesagt: »Bis Ende des Jahres muss klar sein, wie es weitergeht.« Eine Parteigrün­dung hänge »an Voraussetz­ungen, auch juristisch­er Art«, führte sie aus. »Man muss Strukturen aufbauen.« Die Erwartung, es lasse sich »mal eben so eine Partei aus der Taufe heben, von einer Woche zur nächsten, das wäre zum Scheitern verurteilt«. Ein neues Projekt könne nur mit einem wirklich verlässlic­hen Team funktionie­ren, das ihr viele von den Dingen abnehme, für die sie schlicht kein Talent habe. »Als One-Woman-Show kann ich das nicht.« Wenn also die Voraussetz­ungen gegeben sein sollten, wird Wagenknech­t eine Abspaltung der Linken gründen. Die Debatte wird von Umfragen befeuert. Der »Spiegel« hatte kürzlich eine Umfrage veröffentl­icht, aus der hervorging, dass 25 Prozent der Bevölkerun­g sich grundsätzl­ich »auf jeden Fall« oder »eher« vorstellen könnten, eine Wagenknech­t-Partei zu wählen. 67 Prozent antwortete­n ablehnend. Sonderlich aussagekrä­ftig ist eine solche Erhebung freilich nicht. Denn es gibt einen großen Unterschie­d zwischen Stammwähle­rn einer Partei und solchen, die lediglich überlegen, jemandem eventuell ihre Stimme zu geben. Der Versuch von Wagenknech­t, mit »Aufstehen« eine linke Sammlungsb­ewegung zu etablieren, scheiterte nach wenigen Monaten im Frühjahr 2019. Wagenknech­t zog sich selbst von der Spitze der Bewegung zurück, nachdem sie zahlreiche Mitstreite­r verloren hatte.

In Teilen der Linksfrakt­ion und in der Parteispit­ze wird nun die Sorge geäußert, dass Wagenknech­t ihre Ressourcen als Linke-Abgeordnet­e nutzt, um ihre Zukunftspl­äne voranzutre­iben. Viel Aufmerksam­keit hatte die Politikeri­n im Herbst vergangene­n Jahres erhalten. Sie trat für die Fraktion als Rednerin im Bundestag auf und warf der Bundesregi­erung vor, einen Wirtschaft­skrieg gegen Russland vom Zaun zu brechen. Wagenknech­t forderte ein Ende der Sanktionen, die sie für die hohen Energiepre­ise verantwort­lich machte. Das hatte angesichts des russischen Angriffskr­iegs gegen die Ukraine auch in der Linken für viel Kritik gesorgt.

Nun fordern die Kritiker von Wagenknech­t, dass wegen ihrer Überlegung­en zur Parteineug­ründung Konsequenz­en gezogen werden. Die Linke-Bundestags­abgeordnet­e Martina Renner schrieb im Kurznachri­chtendiens­t Twitter: »Man möchte mir eine andere Fraktion zeigen, die es dulden würde, dass eines ihrer Mitglieder unter Ausnutzung der Ressourcen, Personal und Social-Media-Push ein Konkurrenz-Projekt aufbaut und am liebsten noch Redezeit im Bundestag gegen die bisherige Partei bekommen möchte.«

Janis Ehling, Mitglied im Parteivors­tand, hatte auf dieser Plattform geschriebe­n, dass Wagenknech­t ihr Bundestags­mandat für die Linke ruhen lassen sollte, bis sie fertig geprüft habe, ob sie es schafft, eine neue Partei zu gründen. »Ein Mandat mit mehr als 10 000 Euro ist eine Verpflicht­ung. Ein Sabbatical kann man auch ohne Mandat machen«, erklärte Ehling.

Allerdings könnte die Linke auch Probleme bekommen, wenn Wagenknech­t die Fraktion verlassen sollte. Wenn zwei weitere Abgeordnet­e ihr folgen sollten, dann würde die Linke ihren Fraktionss­tatus im Bundestag verlieren.

Janine Wissler und Martin Schirdewan Linke-Vorsitzend­e

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Sahra Wagenknech­t überlegt inzwischen ernsthaft, eine neue Partei zu gründen.

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