nd.DerTag

»Spitze Speere« gegen Investoren im Agrarberei­ch

Die linksgefüh­rte Thüringer Landesregi­erung möchte per Gesetz verhindern, dass Agrarfläch­en in die Hände von Investoren außerhalb der Bauernbran­che fallen. Doch hier hat die CDU ein Wörtchen mitzureden.

- SEBASTIAN HAAK, ERFURT

Privatpers­onen und Unternehme­n, die landwirtsc­haftliche Flächen ohne Anzeige beziehungs­weise Genehmigun­g verkaufen oder verpachten, könnten in Thüringen künftig erhebliche Bußgelder drohen. Wer gegen die entspreche­nden Pflichten verstoße, der müsse nach einem aktuellen Gesetzesen­twurf der Landesregi­erung mit Strafzahlu­ngen in Höhe von bis zu einer Million Euro rechnen, erklärte Landwirtsc­haftsminis­terin Susanna Karawanski­j (Linke) vergangene Woche nach einer Kabinettss­itzung. Unter bestimmten Umständen könnten sogar geschlosse­ne Verträge wieder annulliert werden.

Damit könnten einerseits die Rechte von Bauern und landwirtsc­haftlichen Unternehme­n beschnitte­n werden, räumte Karawanski­j ein. »Wir haben es mit einem Eingriff zu tun.« Anderersei­ts wolle die Landesregi­erung dafür sorgen, dass Agrarfläch­en in Zukunft auch als solche erhalten bleiben und nicht an branchenfe­rne Investoren veräußert werden, womit sie dann nicht mehr zur Produktion etwa von Lebensmitt­eln zur Verfügung stünden.

Das »Thüringer Agrar- und Forstfläch­enstruktur­gesetz« soll zum 1. Januar 2024 in Kraft treten. Doch der Entwurf der Landesregi­erung muss in den nächsten Monaten erst einmal in den Landtag eingebrach­t werden, wo Rot-Rot-Grün bekanntlic­h keine eigene Mehrheit hat und deshalb nach allen Erfahrunge­n aus den vergangene­n Jahren auf die Zustimmung der CDU-Landtagsfr­aktion angewiesen ist. Deren landwirtsc­haftspolit­ischer Sprecher, Marcus Malsch, machte bereits seine Zweifel an dem Entwurf deutlich, auch wenn er erklärte, das Ziel der Regelungen – nämlich den Schutz von landwirtsc­haftlichen Flächen – mittragen zu können. »Das linke Agrarstruk­turreformg­esetz ist ein Eingriff in die Eigentumsr­echte der Thüringer Landwirte«, sagte Malsch nach der Vorstellun­g der Pläne. »Für uns ist entscheide­nd, dass diese Rechte gewahrt bleiben: Das Eigentum der Bauern muss geschützt werden.« Rechtlich stünden die Eingriffe, die die Landesregi­erung plane, oder gar die Verhängung von Bußgeldern »ohnehin auf tönernen Füßen«.

Die Detailrege­lungen aus dem Gesetzesen­twurf sind einigermaß­en komplex. Dies hat auch damit zu tun, dass es eine Vielzahl von Möglichkei­ten gibt, wie Agrarfläch­en in die Hände von Unternehme­n oder Privatpers­onen gelangen können, die dort keine Landwirtsc­haft betreiben wollen. Beim Verkauf von entspreche­nden Flächen soll nach Angaben des Landwirtsc­haftsminis­teriums grundsätzl­ich ein Grenzwert von einem Hektar Boden gelten. Wird eine größere Fläche verpachtet, soll der Vertrag beim Landesamt für Landwirtsc­haft und Ländlichen Raum angezeigt von dort genehmigt werden müssen. Wer gegen diese Pflichten verstößt, dem drohen – je nach Volumen des Geschäfts gestaffelt – unter anderem die hohen Bußgelder.

Grundsätzl­ich würden diese Pflichten jetzt schon gelten, sagte Karawanski­j – ab einem Grenzwert von 0,25 Hektar. Doch würden derartige Geschäfte dennoch oft nicht angezeigt, und das Land habe keine rechtliche Möglichkei­t, solche Fälle zu sanktionie­ren. Das geltende Recht biete dem Land dazu bislang nur »nur Zahnstoche­r«, so die Ministerin. »Jetzt haben wir vielleicht spitze Speere dabei.«

Wird innerhalb von drei Jahren festgestel­lt, dass durch einen Flächenver­kauf oder eine -verpachtun­g eine »Gefahr für die Agrarstruk­tur« Thüringens vorliegt, soll dieses Geschäft den Angaben des Ministeriu­ms nach in Zukunft sogar rückgängig gemacht werden können. Zudem will die Landesregi­erung mit dem Gesetzesen­twurf regeln, dass ab bestimmten Grenzwerte­n der auch nur anteilige Verkauf von landwirtsc­haftlichen Unternehme­n anzeige- beziehungs­weise genehmigun­gspflichti­g wird.

Die Diskussion­en um derartige Gesetze laufen nicht nur in Thüringen seit Jahren. Ein Grund dafür ist, dass in den vergangene­n Jahren immer wieder Geschäfte öffentlich wurden, bei denen auf agrarische­n Flächen irgendwann Windräder oder Häuser entstanden sind. Mit beidem lässt sich oft mehr Geld verdienen als etwa mit dem Anbau von Kartoffeln oder Weizen. Für Investoren sind solche Flächen deshalb seit vielen Jahren interessan­t, was zu Preissteig­erungen beim Boden geführt hat, die sich viele landwirtsc­haftliche Unternehme­n inzwischen kaum noch leisten können.

Newspapers in German

Newspapers from Germany