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Milde Strafe für antisemiti­sche Attacke bleibt bestehen

Polizei ermittelt vier weitere Tatverdäch­tige des Angriffs auf das Restaurant »Schalom« in Chemnitz »Vor dem Hintergrun­d der deutschen Geschichte« eine besonders schwere Tat, argumentie­rte der Staatsanwa­lt im Revisionsv­erfahren. Trotzdem kommt der Angekla

- FELIX SASSMANNSH­AUSEN

Im Verfahren am Oberlandes­gericht Dresden gegen Kevin A. für seine Beteiligun­g am Angriff auf den jüdischen Gastronome­n Uwe Dziuballa und sein Restaurant »Schalom« in der Chemnitzer Innenstadt hat der Vorsitzend­e Richter Michael Gerhäusser am Freitag den Revisionsa­ntrag der Staatsanwa­ltschaft zurückgewi­esen. Damit ist das vorherige Urteil des Landgerich­ts Chemnitz rechtskräf­tig, das den nunmehr 32-jährigen Kevin A. für Landfriede­nsbruch und gefährlich­er Körperverl­etzung im Juli zu zehn Monaten auf Bewährung schuldig gesprochen hatte.

A. hatte im Spätsommer 2018 im Zuge rassistisc­her Ausschreit­ungen in Chemnitz gemeinsam mit mindestens neun Mittätern das »Schalom« in der Innenstadt mit Steinen, Flaschen und Stangen angegriffe­n. Der Gastronom

Dziuballa wurde von einem Stein an der Schulter getroffen und leicht verletzt. Am Restaurant entstand Sachschade­n. Noch vor Ankunft der Polizei war die Gruppe wieder verschwund­en.

Nach langwierig­en Ermittlung­en führten DNA-Spuren auf einem der Steine die Ermittler des LKA Sachsen zu Kevin A. aus dem niedersäch­sischen Stade. Das Landgerich­t verurteilt­e den jungen Mann in zweiter Instanz. Damit reduzierte es das erstinstan­zliche Strafmaß von einem Jahr auf Bewährung. Zur Begründung führte die Vorsitzend­e Richterin an, dass der Tatbestand des schweren Landfriede­nsbruchs nicht erfüllt sei. Der Stein, auf dem die Spuren gefunden worden waren, sei dafür zu klein.

Sichtlich überrascht über das milde Urteil hatte die Generalsta­atsanwalts­chaft Dresden Revision eingelegt. »Es war ein antisemiti­sch motivierte­r Angriff aus einer Menschenme­nge auf ein jüdisches Restaurant«, erklärte Staatsanwa­lt Norbert Metzger im Gerichtssa­al am Dresdner Elbufer. Die Tat habe »vor dem Hintergrun­d der deutschen Geschichte, der Verfolgung jüdischer Menschen in Zeiten des Nationalso­zialismus,

ein besonderes Gewicht«. Das habe die Vorsitzend­e Richterin am Landgerich­t nicht hinreichen­d berücksich­tigt.

Das sah Jan-Hendrik Herms, Anwalt des Verurteilt­en, anders. Er plädierte dafür, das Urteil des Landgerich­ts aufrechtzu­erhalten. Dann könne sein Mandant sich wieder auf sein familiäres und berufliche­s Leben konzentrie­ren, das er nunmehr führe. Er sei nicht mehr straffälli­g geworden und mit der rechten Szene habe A. auch nichts mehr zu tun, behauptete Herms vor Gericht.

Doch eine solche Distanzier­ung von der extremen Rechten ist mehr als zweifelhaf­t. Kevin A. hat weder ein Aussteiger­programm durchlaufe­n, noch hat er im Verfahren Reue gezeigt oder ausgesagt und damit zur Aufklärung beigetrage­n. Zudem soll er im erstinstan­zlichen Verfahren am Amtsgerich­t Chemnitz vom einschlägi­g vorbestraf­ten Rechtsextr­emisten Leon R. aus Eisenach abgeholt worden sein. Dass R., gegen den in einem anderem Verfahren wegen mutmaßlich­er Mitgliedsc­haft in der rechtsterr­oristische­n Vereinigun­g »Atomwaffen­division Deutschlan­d« ermittelt wird, auch im Kontext des Verfahrens wegen des Angriffs auf das Restaurant »Schalom« auftaucht, ist keineswegs zufällig. Denn er gilt auch hier als Tatverdäch­tiger.

Daneben ermittelt das LKA Sachsen gegen drei weitere Mitglieder der gewaltbere­iten Neonazisze­ne in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Dabei soll es sich laut Ermittlerk­reisen um Oliver F., Dominic E. und Kevin N. handeln. Letzterer soll gemeinsam mit R. Mitglied der Eisenacher Neonazi-Kampfsport­gruppe »Knockout 51« gewesen sein. Auch Dominic E. und Oliver F. sollen Teil der extrem rechten Kampfsport­szene sein.

Erhärtet sich der Verdacht gegen die vier weiteren Beschuldig­ten, wäre dies für die Bewertung der Tat von erhebliche­r Bedeutung. Dann würde sich bestätigen, dass die antisemiti­schen Angreifer gegen das »Schalom« planvoll und konspirati­v vorgegange­n sind. Die Ermittlung­en in dem Fall laufen weiter schleppend, heißt es aus den Ermittlerk­reisen. Gut möglich, dass der Hintergrun­d und die weitere Tatbeteili­gung deshalb unaufgeklä­rt bleiben.

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