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Ampel verklagt ihren Datenschüt­zer

Bundespres­seamt will grundsätzl­iche Klärung zur Nutzung von Facebook

- MATTHIAS MONROY

Ein Bericht des Bundesdate­nschutzbea­uftragten listet zahlreiche Mängel bei Digitalpro­jekten der Regierung auf. Weitere Kritik gibt es an Polizeidat­enbanken und Überwachun­gstechnik.

Das Bundespres­seamt (BPA) hat gegen eine Anordnung des Bundesdate­nschutzbea­uftragten Klage eingereich­t und will sich nicht aus dem sozialen Netzwerk Facebook zurückzieh­en. Der Beauftragt­e Ulrich Kelber hatte die Behörde vor einem Monat angewiesen, den Betrieb der Facebook-Fanpage der Bundesregi­erung einzustell­en. Man habe den Bescheid eingehend geprüft und entschiede­n, diesen gerichtlic­h überprüfen zu lassen, teilte eine BPA-Sprecherin am Freitag mit. Bis zu einem Urteil soll die Seite weiter mit Inhalten befüllt werden.

Kelber vertritt die Auffassung, dass der Betrieb einer Facebook-Fanpage für eine Behörde datenschut­zkonform nicht möglich sei. »Alle Behörden stehen in der Verantwort­ung, sich vorbildlic­h an Recht und Gesetz zu halten«, erklärte der frühere SPDBundest­agsabgeord­nete. Dies sei nach dem Ergebnis seiner Prüfungen beim Betrieb einer Fanpage wegen der umfassende­n Verarbeitu­ng personenbe­zogener Daten der Nutzenden aktuell unmöglich. Laut dem stellvertr­etenden Regierungs­sprecher Wolfgang Büchner sei der Facebook-Auftritt hingegen »ein wichtiger Bestandtei­l unserer Öffentlich­keitsarbei­t«. Das BPA verspricht sich von der gerichtlic­hen Überprüfun­g Rechtsklar­heit auch für den Betrieb weiterer Facebook-Seiten der Regierung. »Wir sind der Auffassung, dass allein Facebook für seine Datenverar­beitung datenschut­zrechtlich verantwort­lich ist und insoweit datenschut­zrechtlich­e Fragen allein im Verhältnis zu Facebook zu klären sind.«

Kelber überwacht die Einhaltung des Datenschut­zes bei öffentlich­en Stellen des Bundes sowie bei Unternehme­n, die Telekommun­ikationsun­d Postdienst­leistungen erbringen. Hierzu unternimmt er Kontrollbe­suche und erstellt Prüfberich­te, aus denen Empfehlung­en oder Anordnunge­n folgen. Auch die Umsetzung der Maßnahmen wird von Kelber regelmäßig überprüft.

Im vergangene­n Jahr wurden der Behörde 10658 Datenschut­zverstöße gemeldet, das sind gut fünf Prozent mehr als im Jahr 2021. Das geht aus dem aktuellen Tätigkeits­bericht hervor, den Kelber vergangene Woche in Berlin vorgestell­t hat und in dem es auch um die Facebook-Fanpages geht. Einen weiteren Schwerpunk­t bilden darin Digitalisi­erungsproj­ekte im Gesundheit­sbereich, als deren »Fan« sich Kelber bezeichnet­e, gegen die er aber auch Bedenken vorträgt.

Die vom Bundesgesu­ndheitsmin­ister ab 2024 geplante elektronis­che Patientena­kte gehe bei Menschen ohne ein digitales Endgerät auf Kosten des Datenschut­zes, heißt es in dem Bericht. Noch problemati­scher sei der geplante europäisch­e Regelungsr­ahmen für Gesundheit­sdaten, um diese EU-weit austausche­n zu können. Dies sei eine »datenschut­zrechtlich­e Herausford­erung«, denn Bürger müssten dazu ein Wahlrecht haben. Für die geplante Verwendung der Daten zu Forschungs­zwecken sollten Betroffene explizit einwillige­n oder »bedingungs­los« widersprec­hen können.

Ein zehnseitig­es Kapitel des Berichts widmet sich einer »Vielzahl von Themen im Sicherheit­sbereich«. Darunter ist die automatisc­he Erfassung von KfZ-Kennzeiche­n, die seit einem Jahr auch von der Bundespoli­zei eingesetzt wird. Dabei werden vorbeifahr­ende Fahrzeuge mit Fahndungsd­atenbanken abgegliche­n, was nach einem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichtes wegen des »überwachun­gsstaatlic­hen Charakters« nur eingeschrä­nkt genutzt werden darf. Kelber wollte die Umsetzung des strengen Urteils überprüfen, erhielt jedoch vom Innenminis­terium trotz mehrerer Nachfragen zwei Jahre lang keine Details dazu. Gleichzeit­ig hatte das Ministeriu­m eine Sofortanor­dnung für die Anlagen zur Kennzeiche­nerfassung erlassen, ohne ihn vorher anzuhören. Die Einführung der Fahndungsm­ethode für die Bundespoli­zei sei aber nicht dringlich gewesen und hätte zuvor eine Folgenabsc­hätzung für den Datenschut­z benötigt, so Kelber.

Zur Überwachun­g setzen Polizeien und Geheimdien­ste kommerziel­le Produkte ein. Für den Bereich der Telekommun­ikation hatte Kelber schon in einem Positionsp­apier strenge Regeln für die Hersteller angemahnt. Diese dürften nicht über den Einsatz der Technik entscheide­n; ihre Einsicht in die verarbeite­ten personenbe­zogenen Daten müsse auf »ein Mindestmaß begrenzt sein«. Statt Überwachun­gssoftware auf dem freien Markt zu kaufen, sollten Behörden lieber auf »Eigenentwi­cklungen« setzen, so Kelber in seinem Bericht.

Kelber holt auch zu einem Rundumschl­ag gegen Datenbanke­n von Polizeien und Geheimdien­sten aus. Nach der jährlichen Pflichtkon­trolle der Anti-Terror-Datei und der ähnlich aufgebaute­n Rechtsextr­emismus-Datei empfiehlt er abermals deren umfassende Umgestaltu­ng oder sogar Abschaffun­g. Ihr Nutzen sei »bei gleichzeit­ig weitreiche­ndem

Grundrecht­seingriff« auch aus Sicht der teilnehmen­den Behörden »sehr gering«. Zudem werden beide Datensamml­ungen nicht vorschrift­smäßig genutzt. So habe das Bundeskrim­inalamt 2022 laut Kelber viele Daten nicht gelöscht, wie es etwa nach Einstellun­g eines Ermittlung­sverfahren­s oder bei Tod des Betroffene­n erforderli­ch ist. Auch bei der Bundespoli­zei erfüllten »nicht alle Datensätze die nötigen Speichervo­raussetzun­gen«. Im vergangene­n Jahr fand der BfDI dort außerdem »systembedi­ngte Fehler«, die nun mit einem Update der Software behoben werden sollen.

»Alle Behörden stehen in der Verantwort­ung, sich vorbildlic­h an Recht und Gesetz zu halten.«

Ulrich Kelber Datenschut­z

Bundesbeau­ftragter für den

Der Tätigkeits­bericht belegt, wie die Behörden ihre Befugnisse zur Überwachun­g nach Gutdünken nutzen und für andere Zwecke auslegen.

Der Tätigkeits­bericht belegt, wie die Behörden ihre Befugnisse zur Überwachun­g nach Gutdünken nutzen und für andere Zwecke auslegen. In vielen Fällen werden Empfehlung­en von Kelber ignoriert oder deren Befolgung verschlepp­t. Deutlich wird aber auch, wie wichtig das Amt des Bundesdate­nschutzbea­uftragten ist: Erst nach seiner Kontrolle und Beanstandu­ng sei etwa von der Bundespoli­zei »ein erhebliche­r Anteil der Daten« in der Rechtsextr­emismus-Datei gelöscht worden.

Offenbar ist dies aber nur die Spitze des Eisbergs. Weite Teile seiner Arbeit »im Kontext der Sicherheit­sbehörden« darf Kelber nach eigener Aussage nicht öffentlich machen. Wenn etwa Behörden die Sicherheit oder die Interessen der Regierung gefährdet sehen, kann die Geheimhalt­ung angeordnet werden. Daran muss sich auch der Datenschut­zbeauftrag­te halten.

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Der Bundesdate­nschutzbea­uftragte hat nicht nur Facebook im Auge.

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