nd.DerTag

Putin bleibt in seiner Welt

Nach dem internatio­nalen Haftbefehl besucht der Kremlchef Russlands »neue Gebiete«

- DANIEL SÄWERT

Die Freude in westlichen Staaten ist groß nach der Anklage des Internatio­nalen Strafgeric­htshofs gegen Wladimir Putin. Moskau ignoriert den Haftbefehl und Putin besucht Mariupol.

Geht es nach Marco Buschmann, könnten in Deutschlan­d die Handschell­en bei einem ganz großen Schurken klicken. Denn sollte Russlands Präsident Wladimir Putin in die Bundesrepu­blik kommen, so der liberale Bundesjust­izminister zu »Bild«, wolle man ihn verhaften und an den Internatio­nalen Strafgeric­htshof in Den Haag ausliefern. »Wer wie Putin einen blutigen Krieg angezettel­t hat, sollte sich dafür vor Gericht verantwort­en müssen«, erklärte Buschmann dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d.

Nachdem am Donnerstag eine Untersuchu­ngskommiss­ion des UN-Menschenre­chtsrates ihren Bericht zu Kriegsverb­rechen in der Ukraine vorgelegt und beiden Seiten Verstöße gegen internatio­nales Recht bescheinig­t hatte, erließ der Internatio­nale Strafgeric­htshof am Freitag einen Haftbefehl gegen Wladimir Putin und seine Beauftragt­e für Kinderrech­t, Maria Lwowa-Belowa. Erstmals will Den Haag mutmaßlich­e Kriegsverb­rechen in dem bereits über ein Jahr andauernde­n Krieg juristisch verfolgen. Dabei geht es den Richtern in Den Haag nicht um Vergewalti­gungen, Folter oder Hinrichtun­gen, sondern um die Verschlepp­ung ukrainisch­er Kinder nach Russland. Putin habe als Befehlshab­er seine zivilen oder militärisc­hen Untergeben­en unzureiche­nd kontrollie­rt, begründet Den Haag seinen Verdacht gegen Russlands Präsidente­n. Die genauen Vorwürfe bleiben erst einmal geheim. Den detaillier­ten Text der Haftbefehl­e will das Gericht nicht veröffentl­ichen, um Opfer und Zeugen zu schützen, wie es heißt.

Für die Ukraine und westliche Staaten ist der Haftbefehl gegen Putin eine »historisch­e Entscheidu­ng«, wie der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte. »Niemand steht über Recht und Gesetz«, pflichtete Bundeskanz­ler Olaf Scholz bei. Und US-Präsident Joe Biden, dessen Land wie auch Russland den Internatio­nalen Strafgeric­htshof nicht anerkennt, sprach von einem »sehr starken Signal«. Dass die Entscheidu­ng der Richter aus Den Haag rund um den Jahrestag der illegalen Invasion der USA in den Irak 2003 fiel, ist eine Ironie der Geschichte. Wie auch George W. Bush wird Wladimir Putin (zumindest internatio­nal) ungeschore­n davonkomme­n. Die Chancen, dass Putin im Gefängnis des Nordseebad­es Schevening­en auf seinen Prozess wartet, sind gleich null, das versteht man sogar im Westen.

Direkt nach der Veröffentl­ichung des Haftbefehl­s hatte die Sprecherin des russischen Außenminis­teriums, Maria Sacharowa, betont, dass Moskau gar nicht auf die Idee komme, diesen umzusetzen. »Die Entscheidu­ngen des Internatio­nalen Gerichtsho­fs haben für unser Land keinerlei Bedeutung, auch nicht aus juristisch­er Sicht«, so Sacharowa. Auch Kreml-Sprecher Dmitri Peskow tat die Entscheidu­ng aus Den Haag als nicht der Rede wert ab. Dmitri Medwedew, Ex-Präsident und seit Kriegsbegi­nn Pöbler auf Telegram, schlug vor, den Haftbefehl als Toilettenp­apier zu verwenden. Serbiens Präsident Aleksandar Vučić warnte hingegen, Den Haags Entscheidu­ng sei ein Schritt zum größten Konflikt der Menschheit­sgeschicht­e.

Wladimir Putin selbst äußerte sich nicht. Stattdesse­n besuchte der Kremlchef am Wochenende die Halbinsel Krim, um den neunten Jahrestag der Annexion zu begehen. Große Feiern wie in den vergangene­n Jahren gab es dieses Mal nicht, in vielen Städten gab es überhaupt keine Veranstalt­ungen. Auch Putin beließ es bei seinem ersten KrimBesuch seit dem Überfall auf die Ukraine bei Museumsbes­uchen.

»Die Entscheidu­ngen des Internatio­nalen Gerichtsho­fs haben für unser Land keinerlei Bedeutung, auch nicht aus juristisch­er Sicht.«

Maria Sacharowa Sprecherin des russischen Außenminis­teriums

Am Sonntagmor­gen überrascht­e das Staatsfern­sehen schließlic­h mit Bildern von Putin aus Mariupol. Es war das erste Mal, dass der Präsident die »neuen Gebiete«, die Moskau im vergangene­n Jahr annektiert hatte, besuchte. Die Bilder zeigen Putin am Steuer eines japanische­n Autos, wie er nachts durch die Haftenstad­t fährt und sich von Vize-Regierungs­chef Marat Chusnullin auf einem Spielplatz die Wiederaufb­auarbeiten in der im vergangene­n Frühjahr hart umkämpften Stadt erklären lässt. Man arbeite rund um die Uhr, erklärt Chusnullin seinem Präsidente­n. Rund 40 Minuten lang zeigt der Film neue Straßen, neue soziale Einrichtun­gen, neue Infrastruk­tur, neue Wohnvierte­l und ein wiederaufg­ebautes Musiktheat­er. Vieles davon wurde mit Hilfe aus Russlands zweitgrößt­er Stadt St. Petersburg errichtet, die darunter finanziell leidet.

Die Reise nach Mariupol sei »spontan« gewesen, erklärte Kremlsprec­her Peskow. Ebenso das Treffen mit Einwohnern, die sich artig bei Putin für das »kleine Stück Paradies« bedankten, das Russland ihnen beschere. Darüber, dass die Zerstörung auf Moskaus Angriff zurückgeht, fiel kein Wort. »Das waren die sogenannte­n Nazis, normale Menschen machen so etwas nicht«, resümierte Putin in die Kameras des Staatsfern­sehens.

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Kinder stehen im Mittelpunk­t von Russlands Staatsprop­aganda

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