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Westdeutsc­he suchen und finden Arbeit im Osten

Bilanz der Wirtschaft­sförderung Brandenbur­g weist ein Rekorderge­bnis aus

- MATTHIAS KRAUSS

Verließen früher Brandenbur­ger die Heimat wegen der Arbeit gen Westen, hat sich dieser Trend inzwischen umgekehrt. Zuwanderun­g aus dem Ausland braucht es trotzdem, sagt der Wirtschaft­sminister.

Während jahrzehnte­lang junge Ostdeutsch­e auf der Suche nach Arbeit in den Westen ziehen mussten, hat sich die Tendenz inzwischen umgedreht. Das bestätigte am Freitag Wirtschaft­sminister Jörg Steinbach (SPD), als die Wirtschaft­sförderung Brandenbur­g (WFBB) ihre Bilanz für das vergangene Jahr vorstellte.

2022 wurden durch die Ansiedlung von Unternehme­n in Brandenbur­g fast 10000 Arbeitsplä­tze geschaffen. Auf die Frage, wer die Stellen angesichts des Fachkräfte­mangels eigentlich besetzen solle, verwies Steinbach auf Zuzüge aus den westdeutsc­hen Bundesländ­ern. Die dort angesiedel­ten großen Automobilh­ersteller hätten angekündig­t, zwischen 10 000 und 15 000 Arbeitsplä­tze abzubauen, informiert­e Wirtschaft­sminister Steinbach. Für ihn sei zumindest ein Teil der Betroffene­n eine Quelle für Arbeitskrä­fte, die im Land Brandenbur­g heute oder schon bald gebraucht würden.

Der Trend, dass Ostdeutsch­e wegen der Arbeit nach Westdeutsc­hland zögen, habe sich »längst umgedreht«. Man lebe in anderen Verhältnis­sen als vor 30 Jahren. Damals verloren laut Steinbach 70 bis 80 Prozent der Menschen ihre Arbeit in der gewerblich­en Wirtschaft Ostdeutsch­lands. Viele waren gezwungen, ihre Heimat in Richtung Westen zu verlassen. Inzwischen bestehe für ostdeutsch­e Eltern die Sicherheit, dass ihre Kinder auch in der Heimat ein ordentlich­es Auskommen finden könnten. Allerdings könne durch Zuzüge aus Westdeutsc­hland nur ein Teil der benötigten Fachkräfte gewonnen werden. »Ohne Zuwanderun­g aus dem Ausland wird es dennoch nicht gehen«, sagte Steinbach.

Was die Ansiedlung­en des vergangene­n Jahres betraf, schwelgte der Minister in Rekordzahl­en. Alle Befürchtun­gen, man werde die steigenden Preise mit allen negativen Folgen nicht in den Griff bekommen, »sind so nicht eingetrete­n«, sagte er. In noch nie dagewesene­m Umfang interessie­rten sich Firmen für Brandenbur­g. Zum »herausrage­nden Ergebnis« gehöre auch, dass man umgehend für den insolvente­n Getränkehe­rsteller Baruther Urstromque­lle einen Investor als Ersatz gefunden habe. Kein Mitarbeite­r habe entlassen werden müssen. Und das sei keineswegs der einzige Betrieb gewesen, der nach der Pleite eine Zukunft habe. Insgesamt 1,84 Milliarden Euro seien die Investitio­nen wert, die 2022 in Brandenbur­g getätigt worden seien – eine in früheren Jahren geradezu unvorstell­bar hohe Zahl. »Die Wirtschaft­sförderges­ellschaft hat all ihr Parameter übererfüll­t«, meinte Steinbach.

Von 305 Investitio­nsprojekte­n sprach WFBB-Chef Steffen Kammradt. Von der sensatione­llen Geschwindi­gkeit, mit der am Tesla-Standort in Grünheide eine Autofabrik mit inzwischen rund 10000 Beschäftig­ten errichtet worden sei, einmal abgesehen: »Mit SVolt in Lauchhamme­r kommt nun ein Spezialist für Batterien hinzu«, so Kammradt. Er nannte außerdem die Holzverarb­eiter Renggli in Eberswalde sowie Classen und Binderholz in Baruth/Mark.

Brandenbur­g sei auf dem Weg, sich zu einem neuen Industriez­entrum Deutschlan­ds zu entwickeln, erklärte Kammradt selbstbewu­sst. Trotz Ukraine-Krieg und Krise habe er 135 weitere Anfragen für das laufende Jahr auf dem Tisch. Damit liege die Zahl immer noch um ein Viertel höher als vor der Corona-Pandemie.

Auf die dunklen Wolken über der Raffinerie in Schwedt habe man »als Feuerwehr« reagiert und in der Stadt ein Außenbüro der Wirtschaft­sförderung eingericht­et, verkündete WFBB-Geschäftsf­ührer Sebasian Saule. Aktiv werde man so den rund 100 ansässigen Unternehme­n bei der »Transforma­tion nach dem Ölembargo gegen Russland« mit Rat und Tat zur Seite stehen. Dabei gehe es um die Verbesseru­ng der Produkte und Dienstleis­tungen, um die Suche nach neuen Geschäftsf­eldern und die Erschließu­ng neuer Märkte.

Die Neuansiedl­ungen seien zunehmend nicht auf dem inzwischen »gesättigte­n« Berliner Speckgürte­l beschränkt. Mittlerwei­le rückten auch die Prignitz und die Uckermark ins Blickfeld von Investoren. Gegenüber Berlin sei Brandenbur­g vor allem dadurch im Vorteil, dass es noch über ausreichen­d Gewerbeflä­chen verfüge, ließ Minister Steinbach durchblick­en. Laut Kammradt ist ein Prozent der Landesfläc­he als Gewerbegeb­iet ausgewiese­n.

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