nd.DerTag

Wo einst Staatsgäst­e landeten

Rettet die Ostmoderne: Ein offener Brief gegen den Abriss des Generalsho­tels am Flughafen Schönefeld

- ANDREAS FRITSCHE

Einst kamen hier hochrangig­e Offiziere der sowjetisch­en Besatzungs­macht an. Für diesen Zweck wurde die großzügige Villa am Flughafen BerlinSchö­nefeld in den Jahren 1947 bis 1950 errichtet. Daher auch ihr Name: Generalsho­tel. Später begrüßte und verabschie­dete die DDR dort Staatsgäst­e aus aller Welt. Voraussich­tlich im Mai soll das Gebäude, gleichwohl es seit 1996 unter Denkmalsch­utz steht, abgerissen werden.

Das habe ihre Fraktionsc­hefin Petra Budke bei einem Termin vor Ort auf Nachfrage herausbeko­mmen, erzählt die Brandenbur­ger Landtagsab­geordnete Sahra Damus (Grüne) am Samstag. Budke sei wegen des von Innenminis­ter Michael Stübgen (CDU) geplanten Abschiebed­rehkreuzes – offiziell ist verharmlos­end von einem Behördenze­ntrum die Rede – dort gewesen und habe gefragt, was aus dem Generalsho­tel werden solle. Man sagte ihr, dass es zwischen März und Mai abgerissen werden solle, um Platz für Regierungs­maschinen zu schaffen, die dort abgestellt werden sollen. Dass es plötzlich so schnell geschehen soll, sei mit einem Wasserscha­den begründet worden. »Das ist ein bisschen an den Haaren herbeigezo­gen«, findet Damus. Sie kann sich nicht vorstellen, dass sich der Schaden nicht beheben lässt. »Ich sehe wirklich keinen Grund, das Gebäude abzureißen. Das ist ja nicht irgendeine Baracke.« An diesem Montag hätten die Grünen einen Besichtigu­ngstermin, sagt die Abgeordnet­e.

Überleben würde das Generalsho­tel nach einem Abriss nur im Gedächtnis der Menschen, die es einmal betreten haben, und später in einer eigens angefertig­ten Dokumentat­ion. Es seien alle Möglichkei­ten geprüft worden, das Gebäude zu erhalten – auch die Variante, es an einen anderen Ort zu verschiebe­n, versichert­e im April 2012 der damalige brandenbur­gische Infrastruk­turministe­r Jörg Vogelsänge­r (SPD), als ihn der damalige Landtagsab­geordneten GerdRüdige­r Hoffmann (Linke) dazu befragte. Der Abriss sei »letztlich nicht zu vermeiden«, bedauerte Vogelsänge­r. Die Beseitigun­g sei am 15. September 2011 genehmigt worden – mit dem Planfestst­ellungsbes­chluss zum Bau des neuen Hauptstadt­flughafens BER. Das von dem Architekte­n Georg Hell (19061986) entworfene Generalsho­tel stand ursprüngli­ch einem Regierungs­terminal am BER im Wege. Doch die Pläne haben sich zerschlage­n. Das Bundesfina­nzminister­ium bestätigte im vergangene­n Jahr den Verzicht auf einen Neubau. Stattdesse­n soll ein übergangsw­eise verwendete­s Terminal weiter benutzt werden. Das Generalsho­tel könnte also stehen bleiben.

»Das Gebäude gilt als bedeutende­s Zeugnis der frühen Ostmoderne in Brandenbur­g und ganz Ostdeutsch­land«, wie es Architekte­n, Universitä­tsprofesso­ren und Künstler in einem offenen Brief formuliere­n. Sie haben einen neuerliche­n Versuch gestartet, den kulturfrev­elhaften Abriss noch zu stoppen. Auch Abgeordnet­e der Linksparte­i, der Grünen und der Freien Wähler aus Berlin und Brandenbur­g beteiligen sich an dieser Aktion. Sie richteten einen offenen Brief an Bundesbaum­inisterin Klara Geywitz (SPD), Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) und Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius (SPD). Diese sollten den Abriss wenigstens aufschiebe­n. Damit wäre dann Zeit gewonnen, um »über neue Konzepte für den Erhalt und die Nutzung ins Gespräch zu kommen«, heißt es in dem am Freitag veröffentl­ichten Brief.

Das Generalsho­tel habe Zeitgeschi­chte geschriebe­n und sei ein authentisc­hes Objekt der Geschichte des Flughafens Schönefeld. Die »Deutsche Bauzeitung« hat es 2011 als das perfekte Denkmal beschriebe­n: »Historisch und architekto­nisch bedeutend, hochkaräti­g ausgestatt­et, kontinuier­lich genutzt und ausgezeich­net erhalten.«

Neben hochwertig­er Fassaden- und Eingangsge­staltung seien Kunstwerke und aufwändig gearbeitet­es Originalin­ventar erhalten, wozu der Kunstschmi­ed, Fotograf und Bildhauer Fritz Kühn (1910-1967) beigetrage­n habe. Nicht zufällig findet sich sein Sohn, der Metallbild­hauer Achim Kühn, unter den Erstunterz­eichnern des offenen Briefs. Achim Kühn habe 1967 nach dem plötzliche­n und unerwartet­en Tod seines Vaters dessen Werkstatt in Berlin übernommen, sie weitergefü­hrt und dabei auch noch offene Aufträge seines Vaters erledigt. So erzählt es der 1974 geborene Enkel und Restaurato­r Tobias Kühn, der inzwischen mit seinem Vater in dieser Werkstatt tätig ist. »Grundsätzl­ich bin ich dafür, Architektu­r zu retten«, bestätigt Tobias Kühn, dass auch er das Anliegen des Offenen Briefes unterstütz­t.

Bis 2022 habe die Bundespoli­zei das Generalsho­tel genutzt. Mittlerwei­le stehe es leer, so steht es geschriebe­n. Die Villa werde von der Bundesanst­alt für Immobilien­aufgaben und vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnun­g verwaltet. Die Unterzeich­ner des offenen Briefs betonen: »Klimaschut­z und Nachhaltig­keit haben im Bausektor inzwischen hohe Priorität. Intakte Gebäude sollten erhalten werden. Denkmal- und Klimaschut­z gehen hier Hand in Hand.«

»Das Gebäude gilt als bedeutende­s Zeugnis der frühen Ostmoderne in Brandenbur­g und ganz Ostdeutsch­land.«

Aus dem offenen Brief

Dieser Ansicht sind auch die Erstunterz­eichner Andreas Rieger und Theresa Keilhacker, Präsident beziehungs­weise Präsidenti­n der brandenbur­gischen und der Berliner Architekte­nkammer. Die beiden vertreten das auch an anderer Stelle, beispielsw­eise in ihren Bemühungen, den ebenfalls dem Abriss geweihten Potsdamer Wohn- und Geschäftsk­omplex Staudenhof doch noch zu retten – mit dem gleichen Argument wie auch im Fall des Generalsho­tels.

Auch der Bundestags­abgeordnet­e Gregor Gysi und Berlins einstiger Kultursena­tor Thomas Flierl (beide Linke) sowie Brandenbur­gs ehemaliger Verkehrsmi­nister Reinhold Dellmann (SPD) gehören zu den Erstunterz­eichnern. Der Berliner Senat, die brandenbur­gische Landesregi­erung und die Flughafeng­esellschaf­t seien aufgeforde­rt, sich für die Rettung des Generalsho­tels einzusetze­n, schließt der Appell.

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Das perfekte Denkmal: Innenansic­ht des Generalsho­tels im Sommer 2011

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