Jan Hempel verklagt den DSV
Sexueller Missbrauch: Der frühere Wasserspringer fordert eine Entschädigung
Der frühere Wasserspringer Jan Hempel will den Deutschen Schwimm-Verband (DSV) auf Schmerzensgeld und Schadenersatz in Millionenhöhe verklagen. Das berichtete die »Sportschau« der ARD am Sonntag. Hempel hatte in einer Dokumentation des Fernsehsenders seinem mittlerweile verstorbenen Trainer jahrelangen sexuellen Missbrauch vorgeworfen. In der Klage soll von 1200 Fällen in einem Zeitraum von mehr als 14 Jahren die Rede sein.
Anwalt sieht Verband in der Haftung
»Die Organisation Deutscher SchwimmVerband hat völlig versagt in der Überwachung und in der Kontrolle ihrer Trainer«, sagte Hempels Anwalt Thomas Summerer im Interview mit der »Sportschau«. »Es gab nur Vertuschung. Dieses Organisationsverschulden führt dazu, dass ein Verband haftet.«
Hempel selbst wollte sich zu der geplanten Klage, die nach Informationen der »Sportschau« am Landgericht Kassel (Hauptsitz des DSV) oder Dresden (zuständig für Hempels Heimatort Meißen) eingereicht werden soll, nicht äußern. »Es ist der krasseste Missbrauchsfall, den der deutsche Sport je erlebt hat«, sagte Anwalt Summerer, der seit Jahren auch für die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein um Schadenersatz nach einer ihrer Meinung nach ungerechtfertigten Dopingsperre kämpft. Es sei zudem ein Präzedenzfall, den er und Hempel mit aller Konsequenz vorantreiben wollten, betonte Summerer. »Wir ziehen das durch, und wenn es zehn Jahre dauert.«
Der DSV teilte mit, dass »über Entschädigungszahlungen oder finanzielle Unterstützung von Geschädigten beraten« worden sei, »Hilfsmöglichkeiten finanzieller Art nach aktueller Rechtslage aber begrenzt« seien. »Gemeinnützige Sportverbände dürfen Mittel nur ausgeben für Dinge, die ihrem satzungsgemäßen Zweck entsprechen, also der Gemeinheit zugutekommen«, hieß es in der Stellungnahme des Schwimmverbandes.
»Das betrifft den gesamten Sport«, sagte Vizepräsident Wolfgang Rupieper, der den Verband derzeit mit anführt. Man sei daher mit anderen Institutionen wie dem Bundesministerium des Innern, dem DOSB und auch Athleten Deutschland im Austausch darüber, wie ein angemessener materieller Ausgleich aussehen könnte. Stiftungen oder Fonds wären möglich. »Wir sind da auf einem guten Weg. Denn grundsätzlich ist klar, dass eine Wiedergutmachung erfolgen muss.«
Der Fall Hempel hatte im Sommer 2022 für Aufsehen gesorgt. In der Dokumentation »Missbraucht« hatte der viermalige Europameister und Olympia-Silbermedaillengewinner von 1996 über sexuellen Missbrauch unter anderem während der Olympischen Spiele 1992 in Barcelona gesprochen. Hempel hatte die Verbandsspitze nach eigener Darstellung 1997 von den Vorgängen unterrichtet.
Kommission soll Fälle aufarbeiten
Der DSV suspendierte nach den Vertuschungsvorwürfen Bundestrainer Lutz Buschkow, der von den Übergriffen gewusst, aber nichts dagegen unternommen haben soll. Buschkow beteuerte, erst durch die ARD-Doku von Hempels Vorwürfen erfahren zu haben. Am 1. März nahm eine unabhängige Aufarbeitungskommission ihre Arbeit auf, die sich laut Rupieper mit »allen in der ARD-Dokumentation benannten Fällen« beschäftigen werde. »Wir stellen uns der Verantwortung in aller Konsequenz. Ich hoffe, dass möglichst viele Betroffene die Gelegenheit nutzen, sich an die unabhängige Kommission zu wenden und ihre Vorfälle schildern, um dann ein großes Bild der Verfehlungen zu erhalten.«