nd.DerTag

Erst Banken, dann das Klima

Kurt Stenger über ernstgenom­mene und vertagte Krisen

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So manch ein Klimapolit­iker oder Klimaschüt­zer blickt mit Neid oder einer gehörigen Portion Ärger auf das, was gerade in der Bankenwelt vor sich geht. Kaum werden die Börsen nervös und es taucht die Gefahr einer neuerliche­n Finanzkris­e am Horizont auf, beginnen hektische Aktivitäte­n und werden gigantisch­e Summen bereitgest­ellt. Das klare Motto: Zur ganz großen Katastroph­e darf es nicht kommen. Was man vom Kampf gegen den Klimawande­l nicht sagen kann. Der neue IPCC-Synthesebe­richt zeigt auf, dass das zentrale Ziel – die Begrenzung der Erderwärmu­ng auf 1,5 Grad Celsius – vermutlich verfehlt werden wird und was nach dem Überschrei­ten der Marke zu tun ist. Man könnte es drastisch formuliere­n: Großbanken werden über Nacht gerettet, beim Klima hat man drei Jahrzehnte verstreich­en lassen.

Ganz übertragen lässt sich das eine auf das andere natürlich nicht. Beim Klima geht es nicht um Notoperati­onen und die nur bessere staatliche Regulierun­g eines einzelnen Sektors. Hier geht es um eine Transforma­tion aller Bereiche des Wirtschaft­ens und Lebens, die einen langen Atem braucht. Und das steht, im Unterschie­d zur recht planlosen Bankenrett­ung, auf fester wissenscha­ftlicher Grundlage. Aber politische­s Krisenmana­gement scheint nicht eingestell­t zu sein auf die Ausarbeitu­ng kurz-, mittel- und langfristi­ger Maßnahmen samt deren Umsetzung. Stattdesse­n verschiebt man wichtige Entscheidu­ngen. Und so wird die Zeit, wie der IPCC-Bericht deutlich macht, allmählich knapp, noch rechtzeiti­g umsteuern zu können.

Und übrigens, liebe Bankenrett­er: Die aktuellen Probleme mit Wertpapier­en und Zinsen sind ein Klacks mit Blick auf das, was dem Finanzsyst­em in einer Welt blüht, die den Kurs auf eine Erwärmung um drei Grad oder mehr hält.

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